Kategorien: Natur & Umwelt

Rasen: Für die meisten von uns soll er vor allem schön grün, dicht und möglichst pflegeleicht sein. Das sind doch keine großen Ansprüche, oder? Vielleicht doch! Wir haben für dich das Thema Gras mal genauer beleuchtet.

Kennst du das Gefühl, wenn es langsam Frühling wird und du zum ersten Mal im Jahr barfuß das Gras berührst? Zuerst sind die Füße noch etwas ungläubig. Die Zehen ziehen sich ein wenig zusammen, als würden sie sich fragen: Ist das wirklich schon warm genug? Und dann, wenn du dich richtig traust und fest auf dem Gras stehst, ist es einfach nur herrlich! Die Halme kitzeln und der Rasen fühlt sich so schön weich und nach Sommer an. Balsam für die Seele nach einem langen Winter. Auf welchem Gras man da steht, ist egal.

Gras ist schließlich Gras und Rasen ist Rasen, oder? Nicht ganz. Tatsächlich gibt es allein in Deutschland mehr als 600 verschiedene Gräser für die unterschiedlichsten Zwecke. Ja, richtig gelesen. 600 – das ist kein Tippfehler … Wofür gibt es so unglaublich viele, fragst du dich? Die kurze Antwort: Die Gräserarten sind auf unterschiedliche Strapazen durch Mensch, Tier und Umwelt angepasst. Weil das Thema aber viel komplexer ist, lohnt es, sich auch die längere Erklärung anzusehen. Und das machen wir jetzt gemeinsam!

Rasen in der Geschichte

Fangen wir von vorne an. Für uns ist Gras oder Rasen etwas Alltägliches. Im Garten, in Parks, auf dem Sportplatz – wir kommen mit ihm im wahrsten Sinne des Wortes regelmäßig in Berührung. Tatsächlich ist das schon seit vielen Jahrhunderten so. Meist in Kombination mit Bäumen sind kurzgehaltene Gräser auf Plätzen, Märkten oder Festwiesen schon früh in der Geschichte auch außerhalb der Landwirtschaft überliefert. Im Mittelalter waren kleinere Rasenflächen ein häufiges Gestaltungsmerkmal höfischer oder klösterlicher Gartenanlagen.
Im Laufe der Zeit wurden auch erste Ballspiele wie Kricket, Boule und Boccia auf dem Rasen beliebt. Von England aus verbreiteten sich in ganz Europa. Angelegt wurden die Rasenflächen vor allem mit „Heusamen“, in seltenen Fällen hat man auch Soden, also abgestochene Stücke Gras, verpflanzt.

Eine Wissenschaft für sich: Gräserzüchtung

Im 19. Jahrhundert ging es dann los mit der spezifischen Gräserzüchtung: In agrarwissenschaftlichen Versuchen arbeiteten Menschen an der Verbesserung im Hinblick auf Ansaat-Termine, Vorfrüchte, Düngung und Unkrautbekämpfung. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die landwirtschaftliche Verwendung von Gras für die Weidenutzung.
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Züchtungsaktivitäten maßgeblich ausgeweitet: Es gibt spezielle Züchtungen für Futtersorten und für Gräser, die sich für Rasenflächen eignen. Dass das möglich ist, haben wir Gregor Mendel zu verdanken, der mit seinen Experimenten und Erkenntnissen den Grundstein für die Genetik – also die Vererbung von Eigenschaften eines Lebewesens an seine Nachfahren – gelegt hat. Wenn du mehr über Mendel, sein Leben und sein Werk erfahren möchtest, schau dir hier unseren Beitrag zum Entdecker der Vererbung an.

Weil sich die Tierhaltung in den vergangenen 100 Jahren sehr verändert hat, geht es für die landwirtschaftliche Züchtung inzwischen nicht mehr primär um Weidegras, sondern vor allem um Sorten, die sich gut für die Schnittnutzung eignen – also zu Futter verarbeitet werden. Natürlich hat auch der Klimawandel einen Einfluss auf die Züchtung von Rasen und Gräsern. Züchter:innen müssen dafür sorgen, dass neue Sorten neben Ertrag und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitserreger auch Trockenheit tolerieren können. Weitere Züchtungsziele sind u. a. Narbendichte, Wuchsform und -höhe, Belastbarkeit, schnelle Bestandsentwicklung und Keimfähigkeit.

Langjährige Arbeit

Bis heute werden Gräser gezüchtet, in dem man einzelne, besonders positiv hervorstechende Pflanzen selektiert und ausliest. Dazu sind hohe technische Anforderungen notwendig. Und auch die analytische Bestimmung der einzelnen Merkmale in den verschiedenen Aufwuchsstadien der Gräser ist sehr komplex, was die Züchtung zu einem sehr langen und mühevollen Prozess macht. Kein Wunder also, dass es etwa 12 bis 15 Jahre lang dauert, bis eine neue Sorte angemeldet und zugelassen wird.

Und das ist nicht nur bei Gräsern der Fall, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Sportfans kennen den besonderen Rasen von Wimbledon – er hat eine exakte Höhe von 8 mm – oder das perfekte Grün in Fußballstadien. Wer sich ein wenig mit der Thematik auseinandersetzt, kann sich vorstellen, dass auch hier langjährige Züchtungsarbeit dahintersteckt.

Bunte Vielfalt der Rasensorten

Kommen wir noch mal zu unserem Gedanken vom Anfang zurück: Rasen ist gleich Rasen? Tatsache ist, dass es sehr viele verschiedene Rasentypen mit unzähligen Sorten gibt. Und die schauen wir uns jetzt noch einmal genauer an. Vielleicht beschäftigt sich gerade die eine oder der andere mit dem Thema, weil zum Beispiel eine Rasen-Aussaat im Garten ansteht. Da ist es sinnvoll, sich mit der großen Vielfalt auseinanderzusetzen. Aber auch für alle, die nicht gerade ein Rasenprojekt planen, ist es interessant. Denn, sind wir mal ehrlich, dass Rasen nicht gleich Rasen ist, ist jetzt klar. Aber vermutlich noch nicht, wo genau die Unterschiede liegen. Das holen wir nun nach:

  • Gebrauchsrasen

    Wie der Name schon vermuten lässt, ist Gebrauchsrasen strapazierfähig und belastbar. Spielende Kinder oder Gartenpartys mit Freunden hält er problemlos aus. Außerdem überzeugt er mit seiner satten grünen Farbe. Er benötigt zwar eine regelmäßige Pflege (Mähen, Düngen, Vertikutieren), im Vergleich mit anderen Typen hält sich die Mühe aber in Grenzen. Wenig verwunderlich also, dass Gebrauchsrasen am häufigsten in heimischen Gärten gesät wird.

  • Zierrasen

    Macht optisch ordentlich was her, ist dafür aber das komplette Gegenteil des Gebrauchsrasens: der Zierrasen. Er kann zum Beispiel in Vorgärten, die wenig betreten werden, genutzt werden. Dort überzeugt er mit einer satten und unkrautfreien Grünfläche, ist aber tatsächlich alles andere als stark belastbar. Denn die zarten Halme werden schnell beschädigt. Außerdem ist Zierrasen pflegeintensiv.

  • Englischer Rasen

    Bei perfektem Rasen denken die meisten von uns direkt an unsere britischen Nachbarn. Englischer Rasen ist sattgrün, akkurat geschnitten und wächst besonders dicht. Anders als der empfindliche Zierrasen, ist er zudem echt robust, trittfest, unkrautfrei und resistent gegen verschiedenste Krankheiten. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Das kleine Manko: Englischer Rasen ist sehr pflegeintensiv!

  • Strapazierrasen

    Wer einen Rasen haben möchte, der richtig was aushält, der sollte Strapazierrasen wählen. Er ist noch einmal widerstandsfähiger als Gebrauchsrasen und hält sogar einer permanenten Beanspruchung Stand. Das kann er deshalb, weil Strapazierrasen sehr schnell sehr dicht wächst und ein enges Geflecht aus Pflanze und Wurzeln bildet. Zu beachten ist allerdings, dass er sehr regelmäßig gemäht und auch gewässert werden muss.

  • Sportrasen

    Eine Unterart des Strapazierrasens ist der Sportrasen. Er wird beispielsweise für Fußballplätze oder Golfanlagen genutzt. Diese sind einer dauerhaften Belastung ausgesetzt, die das Gras aushalten muss. Außerdem ist Schattentoleranz in großen Stadien notwendig und eine verlängerte Wachstumsphase bis in den Herbst hinein gewünscht. Zugleich muss die Rasenfläche für die Sportausübung besonders dicht sein, damit etwa Fuß- oder Golfbälle gut auf ihr rollen. Diese Eigenschaften hat die Züchtung durch besonders breite Halme, die eine dichte Fläche bilden, erreicht. Damit Sportrasen auf lange Zeit dicht und belastbar bleibt, muss er sehr häufig gemäht, gedüngt und vertikutiert werden.

  • Landschaftsrasen

    Wenn es um das Begrünen von öffentlichen, großen Flächen oder Streifen an Straßenrändern geht, die eher extensiv genutzt werden, dann wird meistens Landschaftsrasen ausgewählt. Er wächst zwar nicht so gleichmäßig und dicht wie beispielsweise Gebrauchsrasen und ist auch nicht so strapazierbar, sorgt aber für ein einheitliches Gesamtbild. Außerdem ist er pflegeleicht: Die Halme des Landschaftsrasen wachsen langsam, er ist resistent gegen viele Krankheiten, gedeiht auch im Halbschatten und kann mit längeren Trockenperioden umgehen.

  • Futtergräser

    Anders als bei den vorherigen Beispielen handelt es sich bei Futtergräsern nicht um einen „normalen“ Rasen. Denn Futtergräser werden, wie der Name schon deutlich macht, für die Tierfütterung produziert. Sie werden entweder maschinell geerntet und als Frischfuttersilage oder getrocknet als Heu genutzt oder dienen als Weide für beispielsweise Kühe, Pferde und Schafe. Wichtig ist hier, dass sich die Flächen nach einem Schnitt oder dem Weidegang schnell regenerieren und zudem nahrhaft und inhaltsstoffreich sind. Ein wichtiges Merkmal für die Qualität von Futtergräsern ist der Trockenmasseertrag. Hier hat die Pflanzenzüchtung in den vergangenen 50 Jahren große Erfolge erzielt und die Trockenmasse bei verschiedenen Sorten um etwa 40 Prozent gesteigert.

Gras hat viele Talente

Diese Liste ließe sich jetzt noch sehr lange weiterführen. Deutlich geworden ist hoffentlich: Wenn man möglichst lange Freude an der Rasenfläche im Garten oder auch an anderen Orten haben möchte, dann sollte man sich vor der Aussaat gut mit der geplanten Nutzung beschäftigen. Außerdem ist es sinnvoll, auch die Beschaffenheit des Bodens zu ermitteln, um die perfekte Rasensorte auszuwählen.
Sich im Vorwege die Mühe zu machen und bei der Rasenpflege Einsatz zu zeigen, dient übrigens nicht allein der Optik. Denn Gräser verschönern nicht nur unser Leben, sie haben auch einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden – Stichwort: das erste Mal barfuß laufen im Jahr. ;)
Und last but not least sind Rasen und Gräser auch noch echte Klimaschützer. Gras hat eine entscheidende Bedeutung für die Kohlenstoffbindung und Einlagerung in den Boden. Nach dem Gestein der äußeren Erdkruste und unterirdischen Erdöl- und Erdgasvorkommen ist der Boden der drittwichtigste Kohlendioxidspeicher. Da bleiben keine Zweifel mehr übrig: Gras ist ein echtes Multitalent!

Wenn du noch Fragen zum Thema Gras hast oder uns von deinen eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Sorten berichten möchtest, dann freuen wir uns über einen Kommentar oder eine Mail an info@kloenstedt.de. Weitere Infos zum Gräser-Zuchterfolg und der Züchtung anderer Pflanzenarten findest du außerdem bei den Pflanzenzüchtern.

Für mehr Transparenz:

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter entstanden. Wir sind riesige Fans der Arbeit des Verbands, der einen super Job macht – insbesondere, weil er viele großartige und wichtige Dinge im Bereich Pflanzenzüchtung macht, von denen viele Menschen gar nichts wissen. Diese möchten wir auf diesem Wege verbrauchernah erzählen.

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