Kategorien: Natur & Umwelt

Woraus genau besteht eigentlich der Zucker, mit dem wir jetzt in der Vorweihnachtszeit so leckere Dinge wie Plätzchen zaubern? Wir haben uns den Weg der Zuckerrübe vom Feld bis in die Backschüssel genauer angeschaut.

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s ist November und das heißt: die Adventszeit steht kurz vor der Tür. Meine Kinder können es kaum erwarten, dass wir die ersten Weihnachtsplätzchen backen. Die Aufregung und Freude in ihren Augen, wenn es dann endlich losgeht, erinnert mich an meine eigene Kindheit. Plätzchen gebacken haben meine Schwester und ich mit unserer Großmutter. Was bei ihr erlaubt war: Teig naschen! Wie habe ich das geliebt … Damals haben mich die einzelnen Zutaten, die ich mit dem Finger aus der Schüssel geschleckt habe, weniger interessiert. Das ist heute anders. Wie die Herstellung von Mehl, Milch und Butter aussieht, war mir klar. Vergangenes Jahr ist mir aber aufgefallen, dass ich mich noch nie richtig mit Zucker auseinandergesetzt hatte. Das wollte ich dringend ändern!

Deshalb habe ich mich gefragt: Woraus genau bestehen eigentlich die feinen weißen Kristalle, die wir als Haushaltszucker verwenden? Aus Zuckerrüben – das war mir noch klar, aber dann war ich relativ schnell mit meinem Latein am Ende. Also habe ich ganz von vorne angefangen, auf dem Feld bei der Zuckerrübe.

Die Zuckerrübe liebt nährstoffreiche, tiefgründige Böden und sonniges Binnenlandklima. Sie gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse und ist eine zweijährige Pflanze. Das bedeutet, dass sie im ersten Jahr die Blätter, den Rübenkörper und ihre bis zu zwei Meter langen Wurzeln ausbildet. Nach einer Ruhepause im Winter entwickelt sie dann im zweiten Jahr einen Blütenstand mit Samen. Das bekommt man bei uns in Deutschland allerdings selten zu sehen, denn wir nutzen die Zuckerrübe fast ausschließlich einjährig zur Gewinnung von Zucker. Den bildet sie nämlich mit Hilfe des Sonnenlichts im Rübenkörper.

Die Entdeckung des Zuckers in der Rübe

Aus einem Kilogramm Rübe kann man heute ungefähr 170 Gramm Zucker gewinnen. Das bedeutet, dass der Zuckergehalt ungefähr zwischen 15 und 20 Prozent liegt – ein großer Erfolg langjähriger Züchtung. Denn die Ursprungsform, die Runkelrübe, kam lediglich auf einen Zuckergehalt von 1,6 Prozent. Diesen hat der Berliner Chemiker Andreas Sigismund Marggraf 1747 entdeckt. Das war für Europa von großer Bedeutung, denn zuvor war Zucker ein exotisches und kostbares Süßungsmittel, das allein aus dem in Übersee angebauten Zuckerrohr gewonnen wurde. Durch Marggrafs Entdeckung wurde Europa Stück für Stück unabhängiger von Importen. Und nachdem sein Schüler Franz Carl Achard im Jahr 1801 die industrielle Herstellung des Zuckers aus Rüben entwickelte, wurde das Lebensmittel auch für die breite Bevölkerung zugänglich.

Steigerung des Zuckergehalts 

Von Beginn an waren die Herausforderungen, vor die die Züchtung gestellt wurde, der geringe Zuckerertrag und die hohen Kosten der Handarbeit, die bei der Aussaat, der Vereinzelung der Rübenpflanze, der Unkrautregulierung und schließlich bei der Ernte anfielen. In Zahlen ausgedrückt: Bis zu 600 Arbeitsstunden pro Hektar waren für eine erfolgreiche Ernte nötig. Eine enorm hohe Zahl! Das lag unter anderem daran – und das war mir zum Beispiel gar nicht bewusst – dass die Zuckerrübe zunächst mit multigermem Saatgut gesät wurde. Das bedeutet, dass aus einem Samen mehrere Pflanzen wuchsen, die dann von Hand vereinzelt werden mussten, damit sie nicht gegenseitig um Nährstoffe konkurrieren, was logischerweise wahnsinnig arbeitsaufwändig war. Vor allem wenn man bedenkt, dass auf einem Hektar bis zu 100.000 Zuckerrübenpflanzen wachsen und die Anbaufläche deutschlandweit heute bei knapp 400.000 Hektar liegt.

Es dauerte allerdings bis 1966 – und damit hundert Jahre nachdem Gregor Mendel seine erfolgreichen Kreuzungsversuche mit Erbsen durchführte – bis in Deutschland die erste monogerme, also einkeimige, Zuckerrübensorte zugelassen wurde. Dieser riesige Züchtungserfolg brachte eine enorme Arbeitserleichterung mit sich. Und auch mit dem Zuckergehalt ging es stetig bergauf: 1870 lag er bei 5 Prozent. Bis 1930 konnten Pflanzenzüchter:innen ihn durch ihre Arbeit sogar auf 15 Prozent steigern. Zusammen mit der heutigen Vollmechanisierung konnte die Arbeitszeit pro Hektar stark reduziert werden, bei gleichzeitiger Erhöhung der Zuckerausbeute. Mussten 1930 noch 78 Arbeitskrafttage für 5 Tonnen Zucker pro Hektar investiert werden, freuen sich Landwirt:innen heute darüber, dass sie mit 0,5 Arbeitskrafttagen ungefähr 13,5 Tonnen Zucker pro Hektar ernten. Kein Wunder, dass die Zuckerrübe heutzutage auch als „Königin der Feldfrüchte“ gilt.

Was passiert nach der Ernte?

So weit, so gut. Aber wie kommt denn nun der Zucker aus der Rübe? Nach der Ernte im Herbst, der Zuckerrübenkampagne, werden Zuckerrüben in riesigen sogenannten Rübenmieten am Feldrand gelagert. Damit die Qualität bis zur Verarbeitung nicht leidet, arbeiten Pflanzenzüchter:innen kontinuierlich daran, die Lagerstabilität der Rüben zu verbessern. Zum Beispiel haftet an Zuckerrüben mit einer glatten Schale weniger Dreck an, wodurch sich die Rübe im Verarbeitungsprozess besser reinigen lässt und damit Ressourcen schont. So schnell wie möglich werden die Rüben in eine Zuckerfabrik gebracht. Bei dem Stichwort kommen bei mir wieder Erinnerungen an meine Kindheit hoch. Denn meine Großeltern lebten in einem kleinen Dorf neben der nordrhein-westfälischen Stadt Warburg. Dort gab es bis 2019 eine Zuckerfabrik und ich weiß noch genau, wie ich beim Vorbeifahren während der Zuckerrübenkampagne jedes Mal über die riesige Dampfwolke, die aus den Türmen herausströmte, gestaunt habe.

Ein regionales Naturprodukt

Was genau in einer Zuckerfabrik passiert, habe ich damals nicht verstanden. Sehr verkürzt gesagt, wird im Verlauf mehrerer Schritte der in den Rübenzellen vorhandene Zucker von den übrigen Pflanzenbestandteilen durch Extraktion getrennt und anschließend auskristallisiert. Da beim Zucker, den wir in der Küche verwenden, häufig von Industriezucker die Rede ist, war mir vor allem eines nicht bewusst: Der im Prozess herausgelöste Zucker – auch Saccharose genannt – wird weder chemisch verändert noch werden ihm andere Stoffe zugesetzt. Das bedeutet: Bei unserem Haushaltszucker handelt es sich um ein sowohl regionales als auch reines Produkt aus der Natur.

Produktion ohne Abfall

Zusätzlich beeindruckend finde ich, dass bei ihrer Verarbeitung die komplette Zuckerrübe verwertet wird. Es entsteht bei der Zuckerproduktion kein Abfall! Denn aus den Rüben werden nicht nur Zucker, sondern viele weitere Produkte wie Tierfutter, Düngemittel oder sogar Bioethanol hergestellt. Und die abgeschnittenen Blätter kommen beispielsweise als Biomasse zurück auf die Felder. Auf diese Weise schont die Zuckerrübe unsere natürlichen Ressourcen und schützt die Umwelt. Kein Wunder also, dass Pflanzenzüchter:innen weiterhin hart daran arbeiten, die Zuckerrübe durch Züchtung auch in der Zukunft zum Beispiel an sich verändernde klimatische Bedingungen anzupassen und ihre Toleranz und Resistenz gegenüber Krankheiten zu stärken. Bereits heute gibt es in Deutschland 317 zugelassene Sorten.

Nicht nur süß, sondern facettenreich

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück zum Backen beziehungsweise der Verwendung von Zucker in der Küche. In diesem Zusammenhang hatte ich noch ein weiteres Aha-Erlebnis, als ich mich genauer mit dem Naturprodukt auseinandergesetzt habe. Denn Zucker ist längst nicht nur süß! Er kann außerdem Lebensmittel konservieren, ihre Textur verbessern und Aromen zur vollen Entfaltung verhelfen. Außerdem sorgt Zucker dafür, dass Brot und Backwaren länger frisch bleiben, weil er das Wasser in ihnen bindet. Zusätzlich sorgt Zucker dafür, dass der Teig gehen kann. Denn er dient als Fermentationssubstrat für Hefe.
Zucker ist also ein echtes Multitalent! Das ist mir bei seiner Verwendung mittlerweile bewusst. Und so macht das adventliche Backen direkt noch mehr Spaß! ;)

Wenn du noch mehr über die Zuckerrübe und Zucker erfahren möchtest, dann kann ich dir einen Besuch auf den Seiten des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter und der Zuckerverbände sehr empfehlen! Außerdem findest du auf Julias Deichdeern-Blog verschiedenste Beiträge zum Thema – unter anderem ein Rezept für Ofengemüse mit Zuckerrübenblattpesto.

Und falls du weitere Fragen hast, freuen wir uns über einen Kommentar oder eine Mail an info@kloenstedt.de.

Hier gibt’s den Beitrag noch einmal auf Platt für die Ohren:

Für mehr Transparenz:

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter entstanden. Wir sind riesige Fans der Arbeit des Verbands, der einen super Job macht – insbesondere, weil er viele großartige und wichtige Dinge im Bereich Pflanzenzüchtung macht, von denen viele Menschen gar nichts wissen. Diese möchten wir auf diesem Wege verbrauchernah erzählen.

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