Kategorien: Natur & Umwelt

Gemüse ist der Inbegriff einer gesunden Ernährung und bereichert unseren Speiseplan enorm. In verschiedensten Farben, Formen und Geschmäckern haben wir es täglich auf unseren Tellern. Wusstest du, dass dahinter jede Menge Arbeit im Bereich der Pflanzenzüchtung steckt?

 

Vor zwei Jahren haben wir bei uns im Garten ein Hochbeet gebaut. Das eigene Gemüse zu säen oder zu pflanzen, zu gießen, zu pflegen, aber natürlich auch zu ernten und vor allem zu essen, hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir vergangenes Frühjahr direkt noch ein zweites Hochbeet daneben gesetzt haben. Ich freue mich, dass die Kinder so direkt miterleben können, wie Gemüse wächst und was man dafür tun muss, um eine gute Ernte zu haben. Dieses Bewusstsein zu schaffen, finde ich enorm wichtig. Es liegt eben ein langer Weg hinter den Lebensmitteln, bis wir sie verzehren können. Beim schnellen Griff ins Supermarktregal gerät das oft in Vergessenheit.

Dieser Weg ist tatsächlich sogar noch viel länger als wir bei unserem Anbau im Hochbeet erleben können. Denn bevor wir überhaupt etwas aussäen oder vorgezogene Pflanzen setzen können, hat die Pflanzenzüchtung schon enorm viel Arbeit investiert. Das ist beim Rasen so, wie du hier noch einmal nachlesen kannst, und das ist natürlich auch bei Gemüse der Fall. Bevor ich in diesem Jahr mit den Kindern die Samentütchen geöffnet und das Saatgut für verschiedene Blattsalate, Radieschen, Möhren, Markerbsen, Kohlrabi und Co. im vorbereiteten Boden ausgesät habe, habe ich mich genauer mit diesem für Laien eher verborgenen Prozess auseinandergesetzt. Dabei habe ich festgestellt, dass bereits die Wahl der „richtigen“ bunten Samentüte keine einfache Entscheidung und ein Hinweis auf die durch Pflanzenzüchtung geschaffene riesige Sortenvielfalt ist.

Abwechslungsreiche Auswahl

Ich fang vorne an: Gemüse essen wir alle (hoffentlich) täglich. Es ist zumindest ratsam. Denn durch seine hohen Gehalte an Vitaminen und Mineralstoffen ist Gemüse ein wichtiger Bestandteil einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. In Deutschland isst jede:r Erwachsene im Durchschnitt jährlich etwa 85 kg Gemüse. Eine ganz schöne Menge! Das alles wächst natürlich nicht nur in heimischen Gärten, sondern deutschlandweit auf mehr als 125.000 Hektar. Und es muss sich niemand sorgen, dass es nach einer Weile auf dem Teller eintönig werden könnte: Das ganze Jahr über gibt es eine unglaublich abwechslungsreiche Auswahl an unterschiedlichen saisonalen Gemüsesorten. (Hier findest du einen großartigen Saisonkalender mit Suchfunktion, der darüber hinaus Tipps, Tricks und Zubereitungsmöglichkeiten zu den einzelnen Gemüsesorten liefert.) Einen großen Anteil an dieser Vielfalt hat die Züchtung – sie wird von Züchter:innen permanent an die sich ändernden Ansprüche von Anbauer:innen, Handel und Umwelt angepasst. Und natürlich auch an die der Verbraucher:innen, damit etwa sich wandelnde (fleischlose) Ernährungstrends bedient werden können.

Aufmerksamkeit ist gefragt

Was verstehen wir eigentlich unter Gemüse? Gemüse ist ein Sammelbegriff für Pflanzenteile, die wir Menschen essen können. Etwa in Form von Blättern, Knollen, Stängeln, Wurzeln und Früchten. Die meisten Gemüsepflanzen sind ein- oder zweijährig – eine Ausnahme bildet Rhabarber; die fruchtig-sauren Stangen kann man mehrere Jahre lang ernten. Neben Stängelgemüse wie dem Rhabarber unterscheidet man Blatt-, Wurzel-, Kohl-, Zwiebel- und Fruchtgemüse. Die verschiedenen Arten können wir roh, gekocht oder konserviert essen. Hierbei ist ein wenig Aufmerksamkeit gefragt: Kohl wird zum Beispiel bekömmlicher, wenn wir ihn garen. Bohnen hingegen müssen unbedingt gekocht werden, sonst sind sie ungenießbar und sogar gesundheitsschädlich. Tomaten und Karotten können wir zwar problemlos roh essen, einige ihrer wichtigen Inhaltsstoffe sind für unseren Organismus allerdings besser verfügbar, wenn wir sie zum Beispiel mit Öl erhitzen.

Tagneutraler Kopfsalat

Kommen wir zurück zu den Hochbeeten in unserem Garten. Ich liebe Blattsalat! Deshalb bekommen verschiedenste Sorten in unseren Beeten Platz. In den beiden vergangenen Sommern war unsere Salaternte so üppig, dass ich täglich in den Genuss gekommen bin und zusätzlich noch einige der großen grünen Köpfe verschenken konnte. Was ich nicht wusste, ist, dass beispielsweise Kopfsalat bis vor wenigen Jahrzehnten ein typisches Frühjahrsgemüse, also nur in den Frühlingsmonaten frisch erhältlich war. Das lag daran, dass die damaligen Sorten in den Sommermonaten eine sogenannte Tageslängenreaktion gezeigt haben und geschossen sind. Sie also durch zunehmende Temperaturen und Tageslängen von der vegetativen (blattbildenden) Phase in die generative (blütenbildende) Phase übergegangen sind. Wenn Salat blüht, sieht das zwar schön aus, aber er schmeckt dann nicht mehr. Denn mit der Bildung von Stängeln und Blüten produzieren die Pflanzen vermehrt Bitterstoffe.

Durch intensive züchterische Arbeit sind tagneutrale Kopfsalat-Sorten entstanden, die auch später im Sommer angebaut werden können. Damit aber nicht genug: In den vergangenen Jahren wurden außerdem zahlreiche neue Salatsorten gezüchtet, die sich in Form, Geschmack und Verwertungsmöglichkeit unterscheiden. Mit diesem Wissen weiß ich die Salaternte in den heißen Sommermonaten ab sofort noch mehr zu schätzen …

Die Entstehung der Kohlfamilie

Ein weiteres Beispiel für züchterische Leistung im Bereich Gemüse ist Kohl. Kohl ist seit Jahrtausenden bekannt. Durch Kreuzungen haben Züchter:innen aus dem sogenannten Wildkohl die Kohlfamilie ansehnlich erweitert. In Zahlen ausgedrückt: Mehr als 2.100 verschiedene Kohlsorten sind in Europa offiziell zugelassen. Weißkohl ist vermutlich die bekannteste, aber auch Blumenkohl, Kohlrabi, Wirsingkohl, Brokkoli, Rosenkohl, Grünkohl und Rotkohl sind heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Kohlrabis sind zum Beispiel auf eine züchterische Verdickung des Stängels zurückzuführen, Blumenkohl und Brokkoli stellen die Blütenstände, Rosenkohl die Seitenknospen dar und bei Grünkohl wurden die Blätter bearbeitet.

Züchtungserfolg Kalettes

Neben der Verbesserung der bestehenden Arten gelingt es Pflanzenzüchter:innen manchmal auch, ganz neue Formen zu züchten. Im Jahr 1995 kreuzte ein englischer Pflanzenzüchter zum ersten Mal Grünkohl und Rosenkohl miteinander. Jahrelange Züchtungsarbeit später kamen 2010 die kleinen Röschen mit gekräuselten grünen bis lilafarbenen Blättern unter dem Namen „Kalettes“ oder „Flower Sprouts“ in den Handel. Das Gemüse, das von November bis Mitte März Saison hat, schmeckt leicht nussig und deutlich milder als seine Eltern. Lecker!

Die Entstehung der Kalettes zeigt: Obwohl der technische Fortschritt längst in der Pflanzenzüchtung angekommen ist, ist sie bis heute ein sehr langwieriger Prozess. Um neue hochwertige Gemüsesorten zu züchten, müssen die besonders aussichtsreichen Eltern erst identifiziert werden, bevor sie miteinander gekreuzt werden können. Und die Kreuzung selbst wird genau wie vor mehr als 100 Jahren von Hand getätigt. So wie einst Gregor Mendel in seinen Versuchen mit den Erbsen (hier findest du weitere Informationen zum Begründer der Vererbungslehre, der in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden wäre), muss bis heute die Nachkommenschaft wieder und wieder ausgesät und selektiert werden. Von Beginn an bis in die Gegenwart bedeutet Pflanzenzüchtung Sorgfalt und Geduld.

Pflanzenzüchtung: Vielseitig und von großer Bedeutung

Bei ihrer Arbeit schaut die Pflanzenzüchtung nicht nur auf Vielfalt, Geschmack oder Textur von Gemüsesorten – obgleich das natürlich immer sehr wichtige Faktoren sind – doch es gibt noch weitaus mehr Aspekte zu berücksichtigen. Unter anderem der Klimawandel stellt die Züchtung vor immer größere Aufgaben. Hochwertiges Saatgut muss nämlich auch unter erschwerten Bedingungen sichere Erträge und Erntegut mit gleichbleibend hoher Qualität liefern. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung mit steigendem Bedarf an einer ausgewogenen Ernährung eine hohe Verantwortung.

Zu den sich wandelnden Umweltbedingungen kommen das verstärkte Auftreten von Krankheiten und Schädlingen bei gleichzeitig vermindertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hinzu. Diese Herausforderungen lösen Züchter:innen mit widerstandsfähigeren Sorten. Natürlich findet in der Pflanzenzüchtung auch das Thema Nachhaltigkeit in der Gemüseproduktion Berücksichtigung. Und zwar indem nicht nur robustere, sondern gleichzeitig Sorten mit höheren Erträgen pro Quadratmeter gezüchtet werden.

Warum sind Karotten orangefarben?

Ich finde es echt beeindruckend, wie vielseitig und lösungsorientiert die Pflanzenzüchtung arbeitet. Wenn du weitere Fragen zum Thema Gemüse und Züchtung hast, dann stell sie uns gern in den Kommentaren oder schreib eine Mail an info@kloenstedt.de. Außerdem findest du viele weitere spannende Infos bei den Pflanzenzüchtern.

Und zum Abschluss noch ein kleiner Funfact: Wusstest du, warum Karotten orangefarben sind? Die ersten in Europa kultivierten Karotten hatten die Farben Lila und Gelb. Zur heute mit Abstand am meisten geernteten orangefarbenen Variante soll es durch eine Züchtung zu Ehren des niederländischen Königshauses gekommen sein … Herrlich, oder?

Hör‘ dir hier den Beitrag auf Plattdeutsch an:

Für mehr Transparenz:

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter entstanden. Wir sind riesige Fans der Arbeit des Verbands, der einen super Job macht – insbesondere, weil er viele großartige und wichtige Dinge im Bereich Pflanzenzüchtung macht, von denen viele Menschen gar nichts wissen. Diese möchten wir auf diesem Wege verbrauchernah erzählen.

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