Randi und ihr Mann haben auf dem Weg zum langersehnten Wunschkind gleich mehrere schwere Verluste verkraften müssen. Unterkriegen lassen haben sie sich trotzdem nicht und wurden 2017 Eltern eines wundervollen Regenbogenbabys. Für uns erzählt Randi sehr persönlich von ihrem schwierigen Weg und warum es währenddessen nicht immer von Vorteil war, dass sie in einem Dorf im Norden von Schleswig-Holstein leben.

Teil II

In der 21. Woche bekam ich leichte Blutungen. Ein Ultraschall ergab, dass mein Gebärmutterhals verkürzt war. Keine Seltenheit bei Zwillingsschwangerschaften. Ich bin am Montag ins Krankenhaus gekommen. Mir wurde gesagt: „Viel liegen und ausruhen! Der Gebärmutterhals beruhigt sich auch wieder und verlängert sich dadurch.“ Gegen meine „Krämpfe“, die ich immer wieder äußerte, bekam ich Schmerzmittel. Am Mittwochmorgen fragte ich den Arzt, wie seine Einschätzung ist, wie lange mein Aufenthalt dauern wird. Mein Horrorszenario war bis zum Geburtstermin im Krankenhaus bleiben zu müssen. Er versprach mir, dass ich auf alle Fälle wieder nach Hause könne. Alles sei halb so schlimm …

Um 17:00 Uhr setzte die Geburt ein …

Ich war in der 21+5 SSW. Mir war klar, dass das kein gutes Ende nehmen kann. Ich hatte bis dahin keinen Geburtsvorbereitungskurs, lag auf der Gynäkologie des Krankenhauses, meine Bettnachbarin (60 +) bekam gerade ihr Abendessen, während ich mich neben ihr mitten im Geburtsprozess befand. Eine Krankenschwester, die bereits Mutter war, konnte mir schnell erklären, wie ich eine Wehe weg atme, mein Mann streichelte und küsste mir ununterbrochen die Stirn, weinte und wusste sich nicht zu helfen. Die Chefärztin der Geburtshilfe sagte mir, dass man vor der 24. SSW keine wehenhemmenden Mittel verabreichen darf, meinte aber, dass uns nun nichts anderes übrig bliebe. Entweder sie würden nun innerhalb der nächsten 15 Minuten helfen oder nicht.

Die Geburt der Zwillinge

Dann platzte die erste Fruchtblase. Ich wurde sodann in den Kreißsaal verlegt. Zwei Hebammen unterstützten mich und gaben mir nun Schmerzmittel. Im Kreißsaal kamen unsere beiden Kinder zur Welt. Mein Mann wich nicht von meiner Seite. Unser erster Sohn war eine Fehlgeburt und bereits im Mutterleib verstorben. Unser zweiter Sohn war eine Frühgeburt und war nach der Geburt noch am Leben, allerdings nicht lebensfähig und wurde daher von seinem Leid erlöst. Mein Mann und ich wollten und konnten zu diesem Zeitpunkt unsere Kinder nicht sehen. Die Hebammen haben allerdings Fotos gefertigt, welche sich bei uns zu Hause in einer „Sternenkiste“ befinden.

Ich musste noch zwei Nächte im Krankenhaus bleiben. Mein Mann durfte bei mir bleiben. Ich konnte nicht weinen, er schon.

Am Tag nach der Geburt bin ich im Krankenhaus noch zu meiner anfänglichen Bettnachbarin, die ein anderes Zimmer erhalten hatte. Ich habe ihr Blumen mitgebracht, die ich vor der Geburt von einer Freundin geschenkt bekommen hatte. Ich habe mich bei ihr entschuldigt, dass sie das alles miterleben musste, da das Krankenhauspersonal nicht angemessen reagiert hatte. Sie sagte den Satz: „Deine Jungs sind im Himmel nicht allein, sie haben sich!“

Die Chefärztin, die während der Geburt anwesend war, gab uns auch tröstende Worte mit auf den Weg: „Sobald sie ein gesundes Kind auf dem Arm haben, werden sie die Jungs auf dem Friedhof besuchen können. Dann kann die Trauerarbeit anfangen.“ Sie sprach aus eigener Erfahrung. Den Oberarzt, der mir versprach, alles werde gut, habe ich nie wiedergesehen.

Warum es zur Fehl- und Frühgeburt kam, ist ein bisschen wie mit der Henne und dem Ei. Hatte ich bereits frühzeitige Wehen, die den Gebärmutterhals verkürzt haben oder hat der verkürzte Gebärmutterhals die Wehen ausgelöst? Wir werden keine Antwort auf die Frage erhalten.

Kraft und Hoffnung

Wir mussten am Tag nach der Geburt unsere Familie und unsere Freunde benachrichtigen. Ich weinte auch dabei nicht. Wir kamen nach Hause. Wie im Film brach dann alles aus mir heraus. Ich rief meine Hebamme an, die ich vorher nur einmal zu einem Vorgespräch getroffen hatte. Ich sagte, dass ich im August Zwillinge bekommen sollte. Sie fragte direkt nach: Wieso sollte? Sie kam vorbei. Sie gab uns Kraft und Hoffnung in diesem Moment. Ein harter Satz: Eine Frau, eine Fehlgeburt.“ Eine grobe Statistik.

Da ich eine Geburt hinter mir hatte, war ich nun im Mutterschutz. 12 Wochen, da es eine Zwillingsgeburt und eine Frühgeburt war.

Da ein Zwilling lebend geboren wurde, musste auch eine Bestattung stattfinden. Diese wurde auf unseren Wunsch hin nicht in unserem Beisein durchgeführt. Von der Stadt erhielten wir für unser erstes Kind eine Sterbeurkunde, für das zweite Kind eine Geburts- und eine Sterbeurkunde, da er nach der Geburt noch gelebt hatte. Ich hatte halt eine Früh- und Fehlgeburt gleichzeitig. Namen haben wir unseren Jungs nicht gegeben, obwohl wir schon welche ausgesucht hatten. Unsere Jungs liegen auf dem Sternenfriedhof begraben.

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Foto: privat

Alle waren schwanger

Wir fuhren vier Wochen nach der Geburt in den Urlaub. Über meinen Geburtstag. Meine schwangere Freundin wünschte mir einen schönen Urlaub, sie sei ganz neidisch auf uns. Eine Floskel, die man einem mitgibt. Dass der Neid andersrum viel größer war, war glaube ich verständlich, ihr in diesem Moment aber nicht bewusst.

Ein Großteil meiner engsten Freundinnen, meine Nachbarin, meine Schwester – alle waren schwanger. Es war eine harte Zeit. Ich konnte nicht sehen, wie sie ihre Bäuche streichelten, denn das hatte mir der Oberarzt strengstens während meines Krankenhausaufenthaltes verboten. Das sei wehenfördernd. Noch heute zuckt alles in mir zusammen, wenn ich schwangere Frauen sehe, die ihren Bauch streicheln.

Warum ist es uns passiert? Mir wurde einmal gesagt: Weil ihr stark genug seid, das zu verkraften! Ich glaube, da steckt ein bisschen was Wahres dran. Was nicht heißen soll, dass ich nun der Typ für eine Fehl- und Frühgeburt nach einer Kinderwunschbehandlung bin. Aber so gesehen zu werden, bestärkt einen.

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Foto: privat

Ein neuer Termin in der Kinderwunschklinik

In der nächsten Zeit war ich sehr empfänglich für Sprüche, die man nicht hören will. Ich habe den Raum verlassen, wenn sich Mütter über ihre „nervigen“ Kinder beschwert haben oder über ihre Wehwehchen in der Schwangerschaft geklagt haben.

Wir vereinbarten einen neuen Termin in der Kinderwunschklinik. Da noch Eizellen eingefroren waren, probierten wir zunächst eine Behandlung mit gefrorenen Eizellen im August. Da hier eine erneute Hormonbehandlung bis zur Eizellen-Entnahme nicht erfolgen muss, da die Eizellen schon vorhanden sind, belaufen sich die Kosten hier auch nur auf ca. 1/10 der sonstigen Behandlungskosten einer IVF. Allerdings scheiterte dieser erwartungsgemäß.

Im September 2016 haben wir mit einer neuen IVF-Behandlung begonnen. Da wir uns nicht zugetraut haben, eine erneute Zwillingsschwangerschaft durchzustehen, wurden mir nicht zwei Eizellen eingesetzt, sondern wir wollten es mit nur einer Eizelle probieren. Einer sogenannten Blastozyste. Das bedeutet, dass die Eizelle schon weiter herangereift ist, DNA entwickelt hat und eine Einnistung noch wahrscheinlicher ist. Allerdings ist dieses eine Graustufe der Medizin. Für uns kam es glücklicherweise infrage. Mir wurde daher also nur eine Eizelle eingesetzt. Ende Oktober war ich erneut schwanger. Mit einem Kind. Am Anfang des Jahres war ich mit meiner besten Freundin zusammen schwanger, ich verlor meine Babys im April, im Oktober war ich wieder schwanger. Zwei Wochen vor ihrem errechneten Entbindungstermin konnte ich mit ihr erneut unser Glück teilen und wir waren wieder zusammen schwanger.

Schwierige zweite Schwangerschaft

Meine zweite Schwangerschaft war die Hölle …wohl am meisten für meinen Mann. Jedes Ziepen, jedes Nichtziepen, brachte mich zum Heulen. In der 17. SSW war ich zur Prädiagnostik. Der Arzt erklärte mir klipp und klar, dass ich mein Kind erneut verlieren würde und riet mir zu einem Muttermundverschluss in einer Berliner Klinik. Ich war sprachlos. Nach Rücksprache mit meiner Hebamme und meiner Frauenärztin kamen wir zu der gemeinsamen Auffassung, dass es hier wohl Provisionsvereinbarungen geben musste zwischen dem Arzt und der Berliner Klinik und entschieden uns gegen den Eingriff.

Ab diesem Zeitpunkt war ich noch verunsicherter und wurde deshalb wöchentlich von meiner Frauenärztin untersucht, ob mein Gebärmutterhals stabil blieb. Dies wohl alles eher für meine Psyche als für irgendwas anderes.

Trotzdem schlief ich ab diesem Zeitpunkt nicht ordentlich. Ich hatte ab Anfang der 20. SSW Übungswehen. Mein Körper reagierte darauf mit Herzrasen und Panikattacken. Ich hangelte mich von Untersuchung zur Untersuchung. Nach jeder Untersuchung war ich ungefähr für 24 Stunden beruhigt und dann war ich wieder fest davon überzeugt, dass alles schief gehen wird.

Ein gesundes Regenbogenbaby

In der 39. SSW brachte ich in dem Krankenhaus, in dem ich ca. 1 Jahr zuvor meine Jungs zur Welt gebracht hatte, ein gesundes Regenbogenbaby zur Welt.

Wir sind mit unserer Geschichte immer offen umgegangen, sei es während der Kinderwunschbehandlung oder mit dem Verlust unserer Zwillinge. Wir können fest behaupten, dass unsere Kinder „Wunschkinder“ sind. Das große Glück, Eltern sein zu dürfen, schätzen wir sehr. Es ist nicht selbstverständlich. Das muss einem immer klar sein, bevor man Paare fragt, wann denn endlich das erste oder zweite Kind kommt. Wir würden eine weitere Kinderwunschbehandlung nicht durchführen, da die Angst vor einer weiteren Schwangerschaft zu groß ist. Menschen, die den Hintergrund nicht kennen, treffen einen sehr mit Sprüchen wie „ein Kind ist kein Kind“. Es steckt wahrlich keine Boshaftigkeit hinter solchen Aussagen, aber einen Stich versetzt es jedes Mal. Da man die Sprüche langsam gewohnt ist, legt man sich für solche Fälle bereits die passende Antwort zurecht: Unsere Tochter ist Alleinerbin. Hört sich immer besser an als Einzelkind.

Wir haben einen großen Freundeskreis, der uns in vielerlei Hinsicht aufgefangen und unterstützt hat. Jeder geht mit dem Verlust eines Kindes anders um. Dafür gibt es keine „Regeln“ oder „Verhaltensweisen“. Die Trauerphase beginnt manchmal erst dann, wenn das Regenbogenbaby auf der Welt ist.

Anmerkung der Redaktion:

Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Randi ihre wahnsinnig bewegende Kinderwunschgeschichte und ihre traurigen Verluste so offen mit uns geteilt hat.
Am liebsten hätten wir euch noch eine Art Liste mit dos and don’ts für den Umgang mit Paaren in ähnlichen Situationen mitgegeben. Im Austausch mit Randi haben wir uns aber dafür entschieden, dass dies schlichtweg nicht möglich ist, da die unbeschreiblich sensible Situation für jede:n anders ist und völlig individuell wahrgenommen wird. Daher die einzige „Regel“: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation!!! Seid einfach da und fragt: Was brauchst du?

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