Kategorien: Familie & Partnerschaft - Leute

Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes hat sich unsere Community-Autorin mit ihren zwei Kindern ein neues Leben in einer norddeutschen Kleinstadt aufgebaut. In ihrem persönlichen Beitrag erzählt sie, was es bedeutet, auf dem Land alleinerziehend zu sein – und was sie sich von ihrem Umfeld wünscht: echtes Interesse, Zuhören und gemeinsame Zeit.
Ich habe mich in dem Dorfgeflüster „Einsam auf dem Land“ sehr gut wiedergefunden, aber bei uns ist doch einiges anders. Deshalb wollte ich gern meine Gedanken zum Thema „Einsam auf dem Land“ aufschreiben.
Ich bin fast 48, meine Töchter sind 9,5 Jahre und 11 Jahre und vor knapp 8 Jahren ist mein Mann völlig unerwartet gestorben. Seitdem hat sich unser Leben natürlich ziemlich verändert, auch wenn einiges recht gleich geblieben ist. Wir wohnten zu der Zeit noch in den Niederlanden, wo die Kinderbetreuung etwas anders geregelt ist. Ich habe nach den Geburten recht schnell wieder gearbeitet und wusste meine Töchter an einigen Tagen der Woche im sogenannten „kinderdagverblijf“ gut betreut. Dort war ihre vertraute Umgebung neben unserem Zuhause und die Begleitung war liebevoll und aufmerksam, da hatten wir riesiges Glück. Im Alter von 4 bis 6 Jahren besuchte unsere ältere Tochter dort auch die „basisschool“, was ihr gutgetan hat und auch sehr schön war.
Viele wussten nicht, wie sie mit uns umgehen sollten
Bevor die Große 2020 in Deutschland auch schulpflichtig werden würde, war mir klar, dass ich gern zurück nach Deutschland ziehen würde, da ich mich dort eben auch mehr zu Hause fühle. In den Niederlanden hatte mein Mann einen sehr großen Freundeskreis. Nach seinem Tod wussten allerdings viele scheinbar nicht, wie sie mit uns umgehen sollten, das hat mich ziemlich getroffen.
Es ging aber auch anders – eine vorher gar nicht so gute Freundin mit Kindern im ähnlichen Alter hat wahrgenommen, dass wir immer noch recht normal sind, und wir haben viel zusammen unternommen. Das war neben der besten Freundin der Großen und ihren Eltern und natürlich auch der Familie meines Mannes in den ersten Jahren wirklich das Wichtigste für uns und darüber war ich sehr froh.
Keine Integration
2020 sind wir in eine Kleinstadt im Nordwesten Deutschlands gezogen, dort hatte ich vorher schon einmal gewohnt. Der Einstieg in die Schule fiel leicht und die Große knüpfte schnell Kontakte. Die jüngere Tochter ging in den Kindergarten, dieser stellte allerdings einerseits sehr stark ihre Defizite in den Vordergrund und sorgte andererseits überhaupt nicht dafür, dass sie in die Gruppe integriert wurde. Ich erhielt keine Kontaktdaten von anderen Eltern und insgesamt wurde oft deutlich gemacht, dass man keine neuen Kontakte mehr benötigt. Das war für die Kleine schon traurig. Nach einem Jahr wechselte sie den Kindergarten und kam dort viel besser zurecht. Sie fand dort Freunde und Freundinnen und hatte bis zur Schule eine gute Zeit.
Bei Verabredungen spielten meine Töchter mal bei uns und mal bei anderen Kindern – mir ist immer wichtig, dass meine Kinder nicht nur bei anderen spielen, sondern etwa genauso oft bei uns. Ich möchte nicht nur „nehmen“, obwohl das als Alleinerziehende manchmal durchaus anstrengend ist. Das nahmen auch andere Eltern gerne wahr und wir hatten guten oberflächlichen Kontakt, mal einen Kaffee beim Abholen und mal ein etwas ausführlicheres Gespräch über die Schule etc., aber dabei blieb und bleibt es.
Für alles allein verantwortlich
Ich glaube, dass vielen auch nicht bewusst ist, was alleinerziehend – und dann insbesondere als Witwe – wirklich bedeutet. Ich bin 24/7, an 365 Tagen im Jahr, komplett für alles allein verantwortlich. Da ist niemand, mit dem ich über Entscheidungen sprechen kann, niemand, der etwas im Haus macht (ich muss immer um Hilfe fragen), keine Schulter zum Anlehnen und noch so viel mehr. Die Belastung ist wirklich groß – auch wenn ich „nur“ 30 Stunden in der Woche arbeite. In diesem Jahr ist mein zweiter Elternteil gestorben, somit haben wir auch keinerlei Familie mehr, die irgendwie unterstützen könnte. Auch der Übergang aufs Gymnasium bei der Großen war durchaus herausfordernd – wie vielleicht bei vielen.
Ich finde es schade, dass ich fast ausschließlich als gute Bekannte wahrgenommen werde. Natürlich habe ich auch Freund:innen und auch Schwägerinnen, Schwager und eine Schwester, diese wohnen aber auch weiter weg und haben ihre eigenen Leben. Da sind meine Sorgen schnell wieder vergessen, wenn ich was per App anspreche. Man sagt, wir telefonieren, und bis das passiert, kann es eine ganze Zeit dauern. Das kann ich auch völlig nachvollziehen. Aber ich würde mir einfach etwas mehr Einfühlungsvermögen und auch Unterstützung wünschen. Unser Problem sind nicht die Finanzen – natürlich dürfte es immer mehr sein :-) – das Problem sind die Ressourcen. Allein verantwortlich zu sein, kostet mich auf jeden Fall manchmal sehr viel Kraft.
Zwischen den Zeilen lesen
Was ich mir wünschen würde: dass jemand einfach mal wirklich zuhört und dann auch danach noch mal da ist und nachfragt; dass uns andere mal zum Grillen einladen; fragen, ob wir sonntags mal gemeinsam einen Ausflug machen wollen oder Hilfe anbieten. Und dass andere gelegentlich auch zwischen den Zeilen lesen, wenn ich zum Beispiel frage, ob jemand was mit den Kindern machen kann.
Das „Schönste“ war, als Bekannte an einem Feiertag ihre Kinder zu meinen Töchtern gebracht haben und dann zueinander gesagt haben: „Und wir beide gehen jetzt schön eine lange Runde spazieren.“ Das hat mich wirklich sehr getroffen. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr auf meine Mädchen konzentriert, das war meine eigene Entscheidung und auch gut so, aber jetzt möchte ich mir auch mein eigenes Leben wieder aufbauen.
Wir sind glücklich, aber nie wieder komplett
Rückblickend weiß ich nicht, wie ich die Anfangsjahre geschafft hab, aber jetzt mit so großen Kindern wird vieles viel einfacher. Allerdings haben auch beide ihre eigenen Freundeskreise, so dass ich (oder sie sich) dann ggf. parallel verabreden müssen oder eben doch eine wieder zu Hause ist. Dass beide parallel woanders übernachten, kommt sehr selten vor. Natürlich müssen sie außerdem selbständiger sein als andere – durch meine Berufstätigkeit und eine Krankheit in der Familie mussten sie immer wieder auch tagsüber allein sein. Es hat ja niemand so viel Urlaub wie die Kinder Ferien … Zum Glück mögen beide Freizeiten – da bezahle ich dann aber jeweils natürlich auch ganz normal für beide Kinder, ohne dass mich der andere Elternteil unterstützen könnte.
Aber insgesamt geht es uns gut und wir sind ein gutes Team, meine Töchter sind toll und wir sind glücklich – auch wenn wir nie wieder komplett sein werden wie vor dem Tod meines Mannes.
Anonyme Kleinstadt
Hier in der Kleinstadt gibt es leider sehr wenig Angebote für Alleinerziehende und wenn, dann sind sie sehr auf die Sicherung des Lebensunterhalts und Beratung darüber ausgerichtet. Netzwerke, um gemeinsam auch schöne Dinge zu unternehmen – wie ich sie leicht neidisch zum Beispiel in Hamburg sehe – gibt es hier nicht. Auch die Nachbarschaft ist trotz Kleinstadt leider ziemlich anonym. Außerdem wird oft davon ausgegangen, dass schon Familie zur Unterstützung bereitsteht. Dass Menschen ganz allein sein könnten, wird einfach nicht mitgedacht. Unsere Ehrenamtsagentur vermittelt manchmal Freiwillige, die Familien in verschiedenen Situationen zur Seite stehen. Ich habe dort mal angefragt und kam dafür leider nicht in Frage. Gründe wurden mir nicht genannt.
Auf Zwischentöne achten
Mein Appell ist: versucht zu gucken, ob es Alleinerziehende um euch herum gibt, die vielleicht gerade etwas mehr Unterstützung benötigen, und seid dann einfach da. Hört genau zu und fragt nach, ob oder wie ihr helfen könnt. Ich freue mich zum Beispiel sehr, wenn wir gefragt werden, ob wir mal zum Essen bleiben möchten – mal nicht in der 3er-Konstellation zu essen, ist schon schön! Natürlich sagen alle: „Es geht uns prima, wir schaffen das schon!“ Das mache ich auch …, aber achtet auf die Zwischentöne. Behandelt uns Alleinerziehende wie normale Familien – Ausflüge kann man auch mit drei Erwachsenen statt mit vier machen.
Natürlich frage ich mich manchmal, ob die Probleme auch an mir liegen könnten. Aber etwas mehr Aufmerksamkeit füreinander und ein stärkeres füreinander Dasein, vielleicht auch für diejenigen, die man nicht schon über verschiedene Gruppen oder seit 20 Jahren kennt – das wäre kein großer Aufwand, denke ich. Und es würde die Welt doch etwas besser oder zumindest einfacher machen.
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Oooohhhh jaaaaa…. Du bringst es auf den Punkt und ich finde mich in vielen Punkten wieder….
Mit der Zeit habe ich meine Stärke zum Netzwerken richtig gut ausgebaut und habe nicht nur Freundinnen mit Partner, sondern auch Alleinerziehende. Wir unterstützen uns gegenseitig und unternehmen auch sehr gerne was zusammen mit den Kindern. Ich unterstütze, höre zu und helfe, wo ich kann, weil ich weiß wie schwer es ist.
Zum Glück habe ich einen Freundeskreis, in dem auch Alleinstehende dabei sind und wir uns so akzeptieren, wie wir sind. War aber auch nicht so einfach zuerst…,
Mein Sohn steht mittlerweile fast auf eigenen Beinen. Der Weg bis dahin war äußerst anstrengend und schwierig und hat mich oft über meine Grenzen gebracht….
Aber wir haben es geschafft.
Ich kann es sehr gut nachempfinden wie du dich fühlst. Freu dich über deine beiden tollen Töchter. Ich drück dich unbekannterweise aus der Ferne.
Danke dir für deinen Kommentar – es ist schön zu hören, dass dich der Beitrag aus der Community so abholt. Und es klingt nach einem richtig starken Netzwerk, das du dir da aufgebaut hast! Total schön, wie ihr euch gegenseitig unterstützt. Das zu lesen, gibt bestimmt vielen Kraft und Mut, die in einer ähnlichen Situation sind.
Vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen!
Ganz liebe Grüße aus dem Klönstedt-Team Anne