In der neuen Artikelserie räumt die Sexpertin Birte Fulde mit alten Mythen auf: Der erste Beitrag ist dem Hymen gewidmet und erklärt, was es mit dem sogenannten Jungfernhäutchen wirklich auf sich hat.

Stellt euch vor, ihr möchtet jemandem erklären, wie man einen Marmorkuchen backt und diese Person weiß noch nicht einmal, wie man den Backofen anschaltet. Nein, noch schlimmer: ihr ist noch nicht einmal bewusst, dass man dafür einen Ofen benötigt. 

So ist es manchmal bei mir und meiner Arbeit als Sexologin. Ich rede schon von einem erfüllten Sexleben, von Selbstbefriedigung, von noch mehr Lust – dabei stehen viele Menschen noch in der Küche und suchen den Backofen. 
Also fangen wir doch mal mit den Basics an und ich erzähle euch in den nächsten Kolumnen ein bisschen was zu Sex-Vorurteilen.

In diesem Beitrag dreht sich alles um das Thema „Jungfernhäutchen“. Es ist meiner Meinung nach eines der wichtigsten Themen, da dies nicht nur zu den Basics von sexueller Aufklärung zählt, sondern vor allen Dingen ein gesellschaftlicher Irrglaube damit verbunden ist.
Spoiler vorweg: es gibt kein Jungfernhäutchen. 
 

Aber alles der Reihe nach:

  1. Frischhaltefolie oder Haargummi

Der Name „Jungfernhäutchen“ ist schonmal komplett irreführend, da es weder ein Häutchen noch ein Beweis für eine Jungfräulichkeit ist. Der richtige Name ist „Hymen“ und bezeichnet eine Art dehnbaren Schleimhaut-Kranz, der am Vaginaleingang sitzt. Vielleicht kennt noch jemand diese Haarbänder aus den 80ern: Scrunchie? So ungefähr kann man sich das vorstellen. Dieser Kranz ist bei jeder Person unterschiedlich – meistens ist er ringförmig, manchmal fransig und sehr selten wie ein Sieb oder eine Blume. Nur in 0,02 % ist der Eingang verschlossen, so wie sich das einige religiöse Würdenträger wünschen würden. Also nix mit Frischhaltefolie, die durchstochen werden muss. 

2. Blutige Bettlaken und ihre Folgen 

Da eben nichts in einer Hochzeitsnacht durchstochen werden kann, kann es sehr häufig dazu kommen, dass die Bettlaken ganz reinweiß bleiben. Dass ab und zu doch Blut fließt, liegt daran, dass es nicht richtig flutscht und Risse in der Vaginalwand entstehen. Dadurch fühlt es sich auch für die Männer eng an. Dieser Mythos kommt aus einer patriarchalischen Gesellschaft und wird von dieser auch gerne weiterhin aufrechterhalten, damit die weibliche Sexualität reglementiert werden kann.  

Aus Angst und Unwissenheit lassen sich Frauen überall auf der Welt – aber auch hier in Deutschland – für viel Geld ihre Jungfräulichkeit wieder herstellen. Dies ist selten erfolgreich. 

3. Jungfräulichkeitstest 

Seit Jahren wird darum gekämpft, dass Jungfräulichkeitstests abgeschafft werden. Dabei ging es auch oft darum, wie glaubwürdig eine Frau sein kann, die keine Jungfrau mehr ist. Durch den Zwei-Finger-Test wurde noch 2014 in Indonesien entschieden, ob Mädchen weiterhin zur Schule gehen dürfen oder ob weibliche Kandidatinnen geeignet sind, bei der Polizei anzufangen.
Aber auch noch 1979 wurden in England bei Frauen, die ein sogenanntes Verlobtenvisum hatten, ein Jungfräulichkeitstest durchgeführt, weil die britische Regierung davon ausging, dass Jungfrauen eher die Wahrheit über den Grund ihrer Einwanderung sagten. 

4. Und jetzt?

Die Vorstellung, dass dort draußen (auch in Deutschland) Frauen sind, deren einziger Ausweg eine HymenNachbildung ist, die Angst haben, dass sie nicht bluten oder die von ihrer Familie verbannt werden, wenn das Laken weiß bleibt, macht mich traurig.  

Wer diesen Text bis hier gelesen hat, den bitte ich, Aufklärungsarbeit zu leisten und JEDEN (egal ob er/sie es wissen möchte) darüber zu informieren, dass es kein Jungfernhäutchen gibt. 

Danke! 

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