Magdalena schreibt uns ihren persönlichen Jahresrückblick auf und erzählt dabei von ihrer Brustkrebserkrankung. Im dritten Teil der Serie berichtet Magda, wie sie ihre Kinder eingebunden hat, was ihr persönlich dabei besonders wichtig war und wie ihr weiteres Umfeld darauf reagiert hat.

Teil III

Text: Magdalena Zelder

Hallo! In den letzten beiden Beiträgen habe ich euch mitgenommen zu den Anfängen meiner Reise, dem Start, dem Beschluss „Arschi“, so nennen wir meinen Krebs, gehörig in den Hintern zu treten. In diesem Teil möchte ich euch mitnehmen auf den Weg, den wir bezüglich unserer Kinder aber auch der Kinder in unserem Umfeld gewählt haben.

Als die Ärztin mir klipp und klar sagte: „Sie haben Krebs“, war mein erster Gedanke: “Oh Gott, die Kinder“. Wenn ich heute so auf das letzte Jahr zurückblicke, war dies eigentlich der Hauptmotor. Der Hauptgrund stark zu bleiben war und ist: Meine, unsere Kinder.

Wir haben uns zeitgleich mit den Vorbereitungen zur Chemotherapie intensiv damit auseinandergesetzt, was wir für die Kinder tun können. Wie vermitteln wir einem damals 7-Jährigen, einer fast 6- und 2-Jährigen, was Krebs ist und was nun mit Mama geschieht? Wahnsinnig geholfen hat uns der Verein Papillon e. V., Verein Kinder krebskranker Eltern. Direkt nach der Diagnose hatten wir ein Online-Meeting. Wir konnten unsere Fragen stellen und bekamen Literaturvorschläge und einen Leitfaden an die Hand, wie man mit Kindern an dieses Thema rangeht.

„Versprechen Sie ihrem Kind niemals, dass sie nicht sterben werden, das auf jeden Fall alles gut wird.“

Nichts versprechen

Ich muss sagen, dass die Tipps einher gingen mit meiner Intuition: Nichts verschweigen, offen sprechen, die Kinder immer vorbereiten was passiert und wo Mama wann ist. Sie auf die Chemotherapie und auf die Nebenwirkungen, vor allem den Verlust der Haare vorbereiten und überhaupt einmal erklären, was Krebs ist. Gerade die beiden Großen wollten dies unbedingt genauer wissen. Auch Weinen vor den Kindern ist okay. Und diesen Satz werde ich nie vergessen: „Versprechen Sie ihrem Kind niemals, dass sie nicht sterben werden, das auf jeden Fall alles gut wird.“ Das weiß niemand und da Papillon auch Kinder betreut, bei denen ein Elternteil den Kampf gegen den Krebs nicht gewonnen hat, gibt es die Erfahrung, dass diese Kinder die Aussage ich werde nicht sterben, ihren Eltern nachtragen. Für Kinder ist es wahrhaftig, was die Erwachsenen, vor allem die Eltern erzählen und zusichern. Aus diesem Grund ist es so wichtig ehrlich und authentisch zu bleiben. Das ist nicht immer einfach. Wir haben versucht es so gut es geht umzusetzen. Unsere Kids besuchen Papillon immer noch regelmäßig und es tut Ihnen sehr gut.

Ihr seid nicht allein

Auch Familienaktionen bietet Papillon an. So waren wir zum Beispiel mit anderen betroffenen Familien im Kletterpark. Dort habe ich mich ganz toll mit Mamas und Papas austauschen können, die Kids und Papa hatten einen Riesenspaß beim Klettern und für die Kinder war dies ebenfalls eine ganz wichtige Erfahrung. So hörte ich wie Ida sich mit einem Mädchen ganz angeregt unterhielt. Sie erzählte, dass Mama Brustkrebs hat und dass gerade alles echt blöd ist. Das Mädchen erzählte dann, dass ihre Mutter dasselbe hat. Ida war völlig begeistert, weil die Mama des Mädchens wieder Haare hatte und auf dem Weg der Besserung war und es auch noch andere Familien gibt, die diesen Mist durchleben müssen. Die Erkenntnis des Tages war: Wir sind nicht allein! – Das tat verdammt gut.

Durch unseren Umgang vor und mit den Kindern, gingen sie recht schnell sehr selbstverständlich damit um, dass Mama krank ist. Dies kommunizierten sie auch lebhaft, was manche Eltern nicht besonders als pädagogisch wertvoll empfanden. Eine Mutter bat mich mit meinen Kindern zu sprechen, sie sollen dieses Thema nicht mit anderen Kindern besprechen. Die Kinder wären in einem Alter, in dem sie dieses nicht verarbeiten könnten. Klar, jede Familie muss entscheiden, wie sie mit so einem Thema umgeht. Steht bei der Diagnose Krebs ja auch unweigerlich das Thema Tot im Raum. Aber in unserem Freundes-, Verwandten- und Bekanntenkreis gingen die allermeisten ihren Kinder gegenüber genau so offen mit der Thematik um wie wir und so hatten, die Kinder keine Berührungsängste mit mir. Sind wir mal ehrlich: Im Sommer 2022 hatte ich durch Cortison und Medikamente rund 25 kg mehr auf den Rippen, war vollkommen aufgedunsen. Ich hatte keine Haare mehr, was nicht nur den Kopf betrifft, sondern auch die Wimpern und Augenbrauen. Man hat einfach gesehen, dass ich nicht gesund bin und ich finde, Kinder sollen dies auch ungeniert fragen dürfen.

Eine Mutter bat mich mit meinen Kindern zu sprechen, sie sollen dieses Thema nicht mit anderen Kindern besprechen.“

Es gab so rührende Situationen während meiner Erkrankung – gerade mit Kindern. Mein Patenkind zum Beispiel war zu Besuch und gemeinsam mit unserer kleinen bastelten wir am Tisch. Eleni schaute mich lange sehr ernst an und sagte dann: „Godi, du hast wirklich keine Haare mehr, oder?“. Ich bejahte die Frage. Wieder Stille und nach 10 Minuten die Frage, ob sie das mal sehen darf. Ich dachte kurz nach und zog mein Kopftuch aus. Eleni schaute sich meinen Kopf sehr lange an. Dann drückte sie mich ganz fest und sagte: „Alles wird gut, Godi. Aber jetzt kannst du das Tuch wieder anziehen. Das sieht schöner aus!“.

Meine Schwester erzählte zum Beispiel, dass Emil nach dem Fußballspiel bei der Frage wer die Trikots zum Waschen mitnimmt ganz laut sagte, dass dies bei ihm schlecht geht, weil seine Mama Krebs hat. Geschockte Eltern, aber positiver Nebeneffekt: Seitdem habe ich keine Trikots mehr gewaschen. Spaß beiseite: Lasst eure Kinder bitte fragen, erklärt Ihnen was Krebs ist, natürlich nur wenn Sie es wissen wollen. Ich weiß von Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, dass sie sich dies ebenso wünschen. Fragen, auf Erkrankte zugehen, statt sie zu isolieren. Mir ist klar, dass viele nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen, aber ein offener Umgang ist denke ich die beste Lösung!

Die Reaktion aus dem Dorf

Extreme Kritik mussten wir von Menschen aus unserem Dorf (ja, auch Dorfleben hat nicht nur Vorteile) einstecken, weil unsere Kinder mir die Haare abrasieren durften. Nach der dritten Chemotherapie fielen mir die Haare büschelweise aus. Da ich eine Kurzhaarfrisur trug, waren Haare überall … wirklich überall! Ich beschloss also, dass meine Schwester und die Kids zur Tat schreiten dürfen. Die Kinder wussten, dass ich meine Haare verlieren werde. Wir überlegten, dass es vielleicht einfacher ist, wenn sie dabei sind, statt morgens die Treppe runterzukommen und Mama sitzt plötzlich „oben ohne“ da.

Emil und Ida hatten wirklich Spaß, anders kann ich es nicht sagen. Meine Haare wurden mit einem SIKU-Schlepper samt Kipper abtransportiert und Ida setzte sich fürs richtige Frisörfeeling neben mich und las. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass unsere Svea mit ihren 2 Jahren nicht von meiner Seite wich und Gebetsmühlenartig wiederholte: „Mama ich bin bei dir, Mama ich halte dich fest.“ Für sie war es nicht so einfach. Aber ich denke trotzdem, dass es für sie einfacher war den Prozess zu erleben statt vor vollendete Tatsachen, meine Glatze, gestellt zu werden. Einen positiven Nebeneffekt hatte das Ganze: Die Glatze verlor so auch ein Stückweit für mich ihren Schrecken. Mit einem 0,0 Radler stießen meine Schwester und ich drauf an und nur ganz kurz musste ich ein bisschen heulen, als ich mich das erste Mal im Spiegel sah. Mein Mann war plötzlich verschwunden. Er schaute sich das Endergebnis an und lächelte tapfer. Für ihn war es glaube ich am schwersten mich so zu sehen, da kann man sich noch so gut drauf vorbereiten.

Warum sich in diesem Fall uns eigentlich fast fremde Menschen derart darüber echauffierten, das ist mir bis heute ein Rätsel. Jeder so wie er möchte. Heute würde mich so ein Gespräch gar nicht jucken. Aber im Jahr 2022 war ich einfach dünnhäutiger aus besagten Gründen. Wie bei fast allem während meiner Erkrankung. Die wichtigen Menschen standen hinter uns, dass ist es was zählt!

Trotz noch so positivem Umgang mit meiner Erkrankung, es war und ist schwer für die Kids. Wichtig war es auch, dass wir alle Beteiligten, die irgendwie mit den Kindern zu tun hatten informierten. An erster Stelle Schule und Kita, aber auch im Turn- und Fußballverein. So konnten alle Betreuerinnen und Betreuer einschätzen, warum dass eine Kind wirklich schwierig in der Schule wurde, während dass andere Ängste entwickelte und sich sehr zurückzog und dass dritte einfach nochmal ein Baby sein wollte. Ein Kind konnte nicht mehr gut schlafen und kam ständig kontrollieren, ob ich noch da bin, ein Kind versuchte verzweifelt mich aus dem Bett zu scheuchen, als ich wirklich völlig am Ende einfach nur im Dunkeln liegen wollte. „Du musst aufstehen!“ wiederholte es immer wieder. Es ist trotz aller Vorbereitung schwierig für die Kinder zu sehen, dass Mama die sonst eher unter Volldampf unterwegs ist, schlapp macht.

Gott sei Dank waren es nur wenige extreme Tage.

Gott sei Dank waren es nur wenige extreme Tage. Die Kinder waren es die mich aufstehen ließen, obwohl alles schmerzte und es mir entsetzlich übel war. Den Kids zuliebe quälte ich mich durch einen Freizeitpark, obwohl ich einfach nur schlafen wollte. Die Einschulung hielt ich durch, das sollte ein toller Tag werden, kein Trauriger, ohne Mama, denn wie schon einmal geschrieben: Was ist, wenn Mama beim nächsten Familienfest oder Urlaub nicht mehr da ist? Manchmal fand ich das entsetzlich ungerecht und anstrengend. Ich wünschte mir in den dunkelsten Momenten allein leiden zu können. Ja, es war mir alles zuviel, ABER ich ließ es mir nicht anmerken.

Rückblickend kann ich sagen, dass mich diese Einstellung, so schwer es auch war, gut durch die Erkrankung getragen hat. Ich hatte gar keine Zeit viel nachzudenken. Dem Krebs in den Arsch treten, die Kinder und der Hof. Das hielt mich am Laufen. Die Nächte waren schlimm. Da kam das große Grübeln. Die Angst … die Ungewissheit und auch die Frage: Warum ich? In einer Nacht beschloss ich meine Gefühle aufzuschreiben. Der folgende Text entstand:

„Ich liege wach, höre die Nacht.
Allein. Innerlich und äußerlich.
Ich bin müde. Nein, erschöpft.
Verzweiflung kriecht auf mich zu … die Maske ist aus.
Krank. Kaputt. Mir ist Elend. Die Kraft ist weg.
Ich möchte Aufgeben.
Der Weg ist zu steinig…
Sieht denn niemand hinter die Maske?
Warum liegt mir so viel daran sie aufzubehalten?
Warum muss ich es überhaupt? Warum?
Ich höre ein weinen. Verscheuche die Verzweiflung.
Löwenherz klopft. Kleiner Körper schmiegt sich an mich.
Klopfendes Herz, warmer Atem. Krabbelt ins Bett.
Bedingungsloses Vertrauen schwappt auf mich zu.
Ich pass auf dich auf … ich bin da für dich, Kind.
Herz wird wärmer … reicht es bis ins Innere?
Die Maske sitzt wieder … denn Aufgeben ist keine Option.
Leises Atmen neben mir, wie ein Lebenselixier.
Die Kinder sind und waren der Hauptantrieb, mein Lebenselixier.
Ich werde es schaffen!“

Das Aufschreiben hilft mir das zu verarbeiten, für was ich während der akuten Phase der Behandlung gar keine Zeit hatte. Ich kann jetzt reflektieren, innehalten und nachdenken. Und euch möchte ich auch weiterhin mitnehmen.

Magdalena

Zwei Bücher zu dem Thema kann ich uneingeschränkt empfehlen:

„Tausche Gummibärchen gegen Drachenmedizin“, von Anna Büntge (ISBN 978-1-547-21492-1). In einem Märchen wird das Thema Krebs spielerisch erklärt. Für die älteren Kinder befinden sich super Erklärungen im Anhang, die besonders unserem großen die aller meisten Fragen beantwortet haben.

Für unsere beiden Hobby-Prinzessinnen, die gerne auch in einem Schloss statt auf einem Bauernhof leben würden, war dieses Buch einfach perfekt und ich weiß nicht, wie oft wir es gemeinsam gelesen haben.

„Meine mutige Piratenmama“, von Karine Surugue (ISBN 978-3-551-51314-4) ist das zweite Buch, dass unsere Kinder im Kontext mit meiner Erkrankung nicht aus der Hand gelegt haben. Auch in unserem Bücherregal eingezogen: „Mut im Hut“, von Anne Spiecker (ISBN 978-3-9813623-4-3) und „Wie ist das mit dem Krebs“ von Dr. Sarah Roxana Herlofsen (ISBN 978-3-522-30504-4).

Beim gemeinsamen Lesen kamen viele Fragen und Ängste der Kinder zu Tage und wir konnten gut darauf eingehen.

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