Community-Autorin Iris teilt ihre persönliche Geschichte zum Thema „Dorfgeflüster“ mit dir. Sie erzählt wie sie das Leben mit Höhen und Tiefen von der hektischen Metropole über ein beschauliches Städtchen nach Nordfriesland führte. Du erfährst, wie die Weite Nordfriesland Iris Herz eroberte und welche Begegnungen und Erfahrungen sie auf ihrem Weg dorthin begleiteten – eine Reise durch Zeiten, Orte und Gefühle.

Ich kann mich noch genau erinnern, was ich beim ersten Besuch in Nordfriesland und Waygaard empfunden habe: Freiheit – Weite – Unendlichkeit – Freude – Leichtigkeit – Glück – Fernsicht – Faszination – Wind und unglaublich frische Luft zum tief Atmen.

Es war im Sommer 2014 zusammen mit meinem Partner Thomas und meiner damals 11-jährigen Tochter Emilia aus meiner geschiedenen Ehe. Thomas wollte mir seine Eltern vorstellen, die beide im August Geburtstag hatten. Der Empfang in Waygaard in ihrem großen, alten, mit Reet gedecktem Haus war sehr herzlich und wir fühlten uns sofort zu Hause. Dies war vor allem für Emilia wichtig, da sie eher zurückhaltend war. 

Wir haben uns den Hafen in Dagebüll angesehen, waren in Südwesthörn, sind in Waygaard die kleine, große Runde ums Dorf gelaufen, haben die Kühe und grundsätzlich die vielen Schafe und Windräder bestaunt. In Südwesthörn wollte Thomas mir eigentlich einen Heiratsantrag machen, die Anwesenheit seiner Eltern vertrieb ihm aber die Lust dazu.

Ich bekam ihn dann am Sonntagabend auf der Rückfahrt nach Paderborn und Marburg. Wir hielten am Stollbergturm an und bestiegen die Plattform. Es war so überwältigend und mein Herz war ganz weit. Wir sind dann doch nochmal zurück zu seinen Eltern. Emilia hatte ihre Basteltasche vergessen und ich wollte so gerne meine Freude mit Lotti und Werner teilen.

Zwei Personen auf dem Weg zum Fernmeldeturm Bredstedt auf dem Stollberg, Bordelum

Inzwischen haben wir Februar 2024 und es ist wahnsinnig viel passiert in fast 10 Jahren. Während ich diesen kleinen Bericht schreibe, sitze ich im Zug von Paris über Essen nach Paderborn. Ich war bei meiner Schwester, die in Paris lebt und fahre morgen mit meinem Auto von Paderborn zurück nach Hause – nach Nordfriesland – nach Waygaard zu meinem Ehemann Thomas.

Yes – endlich lebe ich in meinem und unserem Paradies, denn seit dem 30. Juni 2023 bin ich nun tatsächlich in Nordfriesland gemeldet. Was für eine Freude und was für eine Leichtigkeit dadurch in mein und unser Leben gekommen ist. Endlich leben wir zusammen in einem Haushalt. Die Freude darüber und diese Weite im Norden öffnen jeden Tag auf’s Neue mein Herz.

Ein Lebensweg in Bewegung

Ich bin 1968 in West-Berlin geboren und aufgewachsen. In einem schönen grünen Bezirk – Zehlendorf – mit viel Wald und Wasser. Aber eben auch mit der Mauer, Teltowkanal, Volkspolizisten mit Maschinengewehr im Anschlag auf der gegenüberliegenden Kanalseite, den Alliierten, die mit Panzer fast jeden Morgen meinen Weg zur Grundschule gekreuzt haben und vor allem mit dem Fehlen von Weite, Landwirtschaft, Kühen, Alleen, Rapsfeldern und noch viel mehr.

In den 70er Jahren habe ich es noch nicht verstanden, dass nur Berlin so war, wie es war. Immer durch die Grenzkontrollen, wenn ein Urlaub oder der Besuch der Ostverwandtschaft anstand. Anstrengend, denn die Grenzkontrollen waren richtig fies – aussteigen – Sitze ausbauen – Türverkleidungen prüfen usw. Ich habe so gut wie keine positive Erinnerung an die DDR. Sie war grau, hat gestunken, ekelig geschmeckt, hat mir Angst gemacht und ich hatte immer das Gefühl, zu wenig Luft zum Atmen zu haben, wenn ich mich in oder durch diese bewegt habe.

Dann fiel die Mauer – ich war 21 und mitten im Studium (Kartographie). Irgendwie war es zwar toll, aber gleichzeitig auch schrecklich, weil plötzlich einfach alle nach Berlin wollten.

1994 habe ich meinen späteren ersten Ehemann bei meiner ersten echten Arbeitsstelle nach dem Studium kennengelernt. 1995 bin ich dann insulinpflichtige Typ I Diabetikerin geworden, er zog nach Paderborn und wir pendelten. Diese kleine, im Vergleich zu Berlin, ländliche Stadt hatte mein Herz im nu erobert und 1996 bin ich schließlich hinterher gezogen.

Paderborn liegt fast in der Mitte von Deutschland und hat mit der „Pader“ den kürzesten Fluß des Landes. Er ist gerade einmal 4 km lang, hat aber einen unheimlich schönen Quellbereich mitten in der kleinen Domstadt. Ich habe mich dort als Grafikerin mit geografischem Schwerpunkt selbstständig gemacht und meine zweite Heimat gefunden. Meine Berliner Familie und Freunde haben alle nur gelästert, wie ich denn in so ein kleines erzkatholisches Dorf ziehen könnte. Dabei hat die Stadt gut 150.000 Einwohner. Guter Scherz, wenn ich jetzt an Waygaard mit ca. 60 Einwohnern denke ;-)

Wie auch immer, das Leben ging voran, es gab eine Hochzeit und 2003 eine wundervolle Tochter, dann 2008 leider die Trennung und schließlich die Scheidung. Emilia und ich wechselten den Stadtteil und haben es uns in unserem neuen Mädelshaushalt gut eingerichtet. Im Sommer 2013 war ich dann aus beruflichen Gründen in Marburg und habe dort Thomas kennengelernt. Wir schrieben uns einmal, das wir uns im Frühjahr 2014 in Marburg treffen werden, damit ich zwei gut erhaltene gebrauchte Fahrräder seines Arbeitgebers kaufen und mitnehmen kann. Thomas war zu diesem Zeitpunkt seit etwa 20 Jahren in Marburg zu Hause – sowohl als Reiseleiter und später als Werkstattleiter eines großen Radreiseveranstalters.

Im Februar 2014 war es dann soweit und ich fuhr nach Marburg. Der Kauf der Räder ging ziemlich flott und anschließend zeigt Thomas mir Marburg es war ein sehr schöner Nachmittag und der Beginn einer großen Liebe mit kleinen Herausforderungenich in Paderborn und er in Marburg, ich zwar beruflich ortsungebunden, dafür aber mit einer damals noch 10-jährigen Emilia und Thomas, der seinen Arbeitgeber in Marburg hatte. Also war klar, dass wir eine Wochenendbeziehung haben werden.

Als Thomas mich zum ersten Mal in Paderborn besucht hat, hat meine Tochter ihn sofort ins Herz geschlossen und bereits Weihnachten 2014 haben wir dann in Paderborn geheiratet. Meine Mutter aus Berlin war dabei, Lotti und Werner aus Waygaard, meine Schwester mit ihren Jungs aus Paris, ihr neuer Lebensgefährte aus Freiburg sowie einige Freunde aus den besagten drei Städten.

Drei Personen, zwei davon mit Blumensträußen auf einer Treppe nach einer Hochzeit im Innenraum.

Herausforderungen und Veränderungen

Wir waren so glücklich mit unserer Wochenendehe zwischen Paderborn und Marburg – doch dann kamen gesundheitliche Herausforderungen sowohl bei seinen Eltern als auch bei meiner Mutter dazu, die das Pendeln mit großen Entfernungen sehr anstrengend machten. Meine Mutter habe ich deswegen Anfang 2016 nach Paderborn, in eine betreute Einrichtung, geholt – mit der Konsequenz, dass das Haus in Berlin aufzulösen war, was sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Werner ist Anfang März 2016 nach etwa zweimonatiger 24/7 Pflege gestorben und Lotti fast genau ein Jahr später.

Nun stand auch hier wieder viel Arbeit für uns an – ausmisten und vor allem, die Frage, was machen wir mit diesem Haus? Verkaufen – Behalten – Vermieten – selber darin wohnen? Bis Sommer 2019 haben wir unsere Zeit zwischen Waygaard, Marburg und Paderborn aufgeteilt, was wirklich sehr herausfordernd war, da wir ja beide voll berufstätig waren. Dann fiel die Entscheidung Thomas hört aus gesundheitlichen Gründen auf zu arbeiten, gibt seine Wohnung in Marburg auf und zieht ganz nach Waygaard – mit dem Ziel das Haus nach unseren Wünschen zu renovieren.

Es war von Anfang an klar, dass Emilia auf jeden Fall ihr Abi noch in Paderborn machen wird und ich erst dann umziehen kann, wenn die äußeren Umstände es erlauben. Dank Corona und Homeschooling haben wir dann bereits 2020 sehr viel Zeit in Waygaard verbracht, da ich ja als Selbständige nur meinen Mac und Internet zum Arbeiten brauche. In dieser Zeit haben wir uns immer mehr in das Leben im Norden verliebt, so dass auch Emilia bereits von „zu Hause“ gesprochen hat.  

Sommer 2022 hat Emilia ihr Abi gemacht, ist direkt zum Studium nach Fürth gezogen und ich bin seitdem mehr oder weniger ununterbrochen in Waygaard gewesen, was bereits sehr schön war. Allerdings war unsere Baustelle noch nicht soweit, dass ich bereits mit all meinem Hab und Gut hätte hinterher ziehen können.

Ein neues Kapitel: Nordfriesland

Im November 2022 kam die nächste große Herausforderung – meine inzwischen mit Pflegend 5 betagte Mama musste innerhalb von nur einem Monat in eine stationäre Einrichtung umziehen, die ich erst noch finden musste! Ich habe damals alles versucht, um sie nach Nordfriesland zu holen – aussichtslos. Selbst den Platz in Paderborn habe ich nur meinem dortigen gutem Netzwerk zu verdanken.

Unsere Baumaßnahmen gehen stetig voran, sind allerdings aufwendiger als gedacht, so dass ich erst im Sommer 2023 wirklich mit all meinem Hab und Gut sowie mit meiner Firma umgezogen bin. Jetzt fahre ich etwa alle drei Monate nach Paderborn, um meine Mutter, meinen Diabetologen und meine Freunde zu treffen.

Ich freue mich jeden Tag aufs Neue in Nordfriesland zu leben und hier mein drittes zu Hause gefunden zu haben. Weniger Menschen, weniger „Chichi“ dafür mehr Ehrlichkeit und Bodenständigkeit.

Ich liebe den Wind, das Radfahren, die Spaziergänge, dass Watt und die Wiesen, das Möwengekreische, die Sonnenuntergänge, das Licht, das Grün, was hier viel grüner ist, das Meer, die Häfen, die Inseln und vor allem die Weite, die mir endlich so viel Raum gibt, dass ich tief atmen kann.

Ich würde sagen, ich habe mich stetig verbessert oder der jeweilige Wohnort entsprach einfach immer meinem damaligen Lebensgefühl: Als junger Mensch in der großen Stadt mit all ihren Optionen, als Mutter in der eher kleinen beschaulichen Stadt mit vielen sozialen Kontakten und nun in meinen 50igern auf dem Land mit meinem Lieblingsmenschen und allem, was mir Nordfriesland zu bieten hat.

Austausch

Vielen Dank, für deine Zeit und Aufmerksamkeit, denn du hast meine Geschichte bis hier gelesen. Falls du Lust hast, dich mit mir zu verbinden oder dich mit mir auszutauschen – sehr gerne – mein Netzwerk in Nordfriesland ist noch klein. Hinterlasse gerne einen Kommentar oder schicke eine E-Mail an info@kloenstedt.de. Das Klönstedt-Team stellt gerne den Kontakt her.

Habt ihr Fragen an Iris oder möchtet ihr weitere Details zu bestimmten Aspekten ihrer Geschichte erfahren? Dann hinterlasst uns gerne einen Kommentar unter diesem Beitrag.

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