Ehrenamtliche Vormünder:innen sind weit mehr als gesetzliche Vertreter:innen – sie sind Vertrauenspersonen und geben Kindern und Jugendlichen ohne elterliche Fürsorge eine Stimme und Halt. Doch was bedeutet es, diese Verantwortung zu übernehmen? Im Rahmen unseres Projekts „Man tau“ erzählt Kerstin Mock-Hofeditz aus Nordfriesland von ihren Erfahrungen und der großen Bedeutung dieses Ehrenamtes.

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hrenamtliche Vormünder:innen begleiten Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern aufwachsen – oft über viele Jahre hinweg. Sie treffen Entscheidungen in rechtlichen und schulischen Angelegenheiten, helfen bei Alltagsproblemen und bieten emotionale Unterstützung. Ihr Einsatz reicht weit über eine reine Formalität hinaus. Als wichtige Bezugspersonen geben sie den jungen Menschen Stabilität und Orientierung.

Eine von ihnen ist Kerstin Mock-Hofeditz aus Nordfriesland. Sie hat sich vor mittlerweile fast 10 Jahren ganz bewusst für dieses Ehrenamt entschieden. Durch ihre politische Arbeit im Kreistag war Kerstin Mock-Hofeditz mit den Themenbereichen Flucht und Migration vertraut und an der Ausarbeitung entsprechender Anträge beteiligt. „Außerdem bin ich schon lange im Verein ‚Fremde brauchen Freunde‘ hier in Nordfriesland aktiv. Über diese Kontakte habe ich mitbekommen, dass es großen Bedarf gab an Leuten, die sich um unbegleitete minderjährige Geflüchtete kümmern“, erinnert sich Kerstin Mock-Hofeditz. Nachdem sie bekundet hatte, dass sie sich die Übernahme einer Vormundschaft vorstellen könne, kam schon bald eine Anfrage des Jugendamts. Und Kerstin Mock-Hofeditz übernahm einen 16-jährigen Afghanen als Mündel.

Vormündin und Mutter

Welche Fähigkeiten und Erfahrungen halfen ihr bei dieser anspruchsvollen Aufgabe? Durch ihre eigenen Kinder im etwa gleichen Alter war die Nordfriesin den Umgang mit Jugendlichen gewohnt. Als Mutter bewegte sie die Vorstellung, dass ihre eigenen Kinder allein auf der Flucht sein könnten: „Da hätte ich mich auch sehr gefreut, wenn sie Unterstützung bekommen hätten.“ Untergebracht war der Jugendliche aus Afghanistan in einer Einrichtung des Kreises. Zu dieser hatte Kerstin Mock-Hofeditz guten Kontakt. Als ihr Mündel 18 Jahre alt war, begleitete sie ihn weiter. „Ich habe ihn bei der Suche nach einer Lehrstelle und einer eigenen Wohnung unterstützt. Etwa beim Gespräch mit dem Vermieter oder dem Chef im Ausbildungsbetrieb“, beschreibt sie ihre Aufgaben.

Kerstin Mock-Hofeditz
Kerstin Mock-Hofeditz

Kerstin Mock-Hofeditz

Unterstützung in vielen Lebenslagen

Nach einer kleinen Pause hat Kerstin Mock-Hofeditz vor einiger Zeit erneut eine Vormundschaft übernommen. Dabei handelt es sich wieder um einen Jugendlichen aus Afghanistan. Er benötigte zunächst vor allem Hilfe bei seinem Asylantrag. „Der Antrag muss vom Vormund gestellt werden. Dann gibt es eine Anhörung, in der die Jugendlichen begründen müssen, warum sie Asyl benötigen und weshalb sie nicht in ihr Heimatland zurückkönnen. Sie müssen ihre Geschichte und ihren Fluchtweg beschreiben. Das ist natürlich eine total fremde Situation, die gut vorbereitet werden muss“, weiß Kerstin Mock-Hofeditz. „Und es ist auch wichtig, die Jugendlichen zu begleiten, damit sie dort nicht allein sitzen. Die Möglichkeit hat man als Vormund.“

Darüber hinaus begleitet Kerstin Mock-Hofeditz den Jugendlichen auf seinem Lebensweg. Auch ihr aktueller Mündel lebe in einem Heim, in dem er eine tolle Betreuung erfahre. Mit den Zuständigen ist die Vormündin in regelmäßigem Austausch. Zusätzlich ist sie in Notfällen da. „Ich bin auch schon mal mit im Rettungswagen nach Flensburg ins Krankenhaus gefahren. Man ist auch zuständig, wenn beispielsweise eine Operation ansteht. Ich bin die Person, die die Eltern vertritt und den Jugendlichen betreut.“ Gleiches gilt für alltäglichere Dinge wie die Schule: Kerstin Mock-Hofeditz besucht Elternabende und -sprechtage.

Voneinander lernen

Etwa alle zwei Wochen kommt Kerstin Mock-Hofeditz‘ aktueller Mündel zum Mittagessen zu den Mock-Hofeditz‘ nach Hause. Sowohl sie als auch ihr Mann freuen sich stets auf die gemeinsame Zeit: „Unsere Kinder sind mittlerweile ausgezogen. Wir beiden Eltern finden es schön, wenn wir ihn mit am Mittagstisch sitzen haben und über alles sprechen zu können. Es ist eine Riesenfreude zu erleben, wie er sich hier einlebt, und wie toll sich sein Deutsch entwickelt.“ Einen positiven Nebeneffekt ihres Ehrenamtes sieht Kerstin Mock-Hofeditz darin, dass sie durch die Vormundschaften selbst sehr viel dazugelernt hat. Über andere Kulturen und, was es heißt, fremd in einem Land zu sein und mit welchen Schwierigkeiten die Jugendlichen zu kämpfen haben. „Für mich ist der Austausch eine sehr große Bereicherung“, freut sie sich.


Integration fördern, Vorurteile abbauen

Diese Erfahrungen empfindet sie heute als wichtiger denn je. „Es ist für mich sehr schmerzlich zu erleben, wie in der aktuellen Debatte um das Thema Geflüchtete eine pauschale Sündenbock-Geschichte herausgeschrieben wird“, bedauert die Vormündin. „Es gibt eine große Unsicherheit in der Community der Geflüchteten und das trifft mich emotional sehr stark, weil ich diese persönlichen Beziehungen habe.“ Durch den Kontakt mit einem Migrationsberater hat Kerstin Mock-Hofeditz vor einigen Jahren auch einen jungen Mann aus Eritrea kennengelernt. Heute ist er ein guter Freund der ganzen Familie. „Er ist als Röntgenassistenz in einer Klinik in Hamburg ein voll arbeitendes Mitglied unserer Gesellschaft. Trotzdem machen wir uns Sorgen um seine Zukunft, wenn der Schutzstatus eventuell nicht mehr sicher ist. Aber wir brauchen die Menschen hier.“ Ihre Erfahrung sei, dass gerade die Jugendlichen hochmotiviert seien, nicht so schnell aufgäben und beispielsweise gerne handwerkliche Ausbildungen machten.

Austausch und Unterstützung von anderen Vormünder:innen

Um andere an ihren positiven Erlebnissen teilhaben zu lassen berichtet Kerstin Mock-Hofeditz im Alltag und auch bei Infoveranstaltungen der KIBIS Selbsthilfeberatung Nordfriesland regelmäßig von diesen. Denn es werden nach wie vor ehrenamtliche Vormünder:innen gesucht. Interessierte sollten wissen: Mit Fragen oder schwierigen Situationen wird man nie allein gelassen: „Die KIBIS organisiert regelmäßig Austauschmöglichkeiten und ist immer ansprechbar. Ebenso stehen das Jugendamt und die Migrationsberatung zur Verfügung. Gerade bei komplexen Themen wie dem Asylverfahren ist das sehr wichtig“, weiß Kerstin Mock-Hofeditz zu schätzen.

Kerstin Mock-Hofeditz zeigt mit ihrem Engagement, wie wertvoll es ist, jungen Menschen Halt und Perspektiven zu geben. Ehrenamtliche Vormünder:innen wie sie leisten weit mehr als nur rechtliche Vertretung – sie geben Kindern und Jugendlichen das Gefühl, nicht allein zu sein. Wer sich vorstellen kann, diese Rolle zu übernehmen, findet Unterstützung bei KIBIS, dem Jugendamt oder der Migrationsberatung. Denn es braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen – mit Herz und Verstand.

Über KIBIS Nordfriesland

KIBIS Nordfriesland ist die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für Selbsthilfe im Landkreis. Sie bietet Unterstützung bei der Gründung und der Führung von Selbsthilfegruppen sowie Informationen zu bestehenden Angeboten. Darüber hinaus berät KIBIS zu ehrenamtlichen Vormundschaften für Kinder und Jugendliche in Kooperation mit dem Kreis Nordfriesland.

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