Green Care setzt auf die heilende Wirkung der Natur, um Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen zu unterstützen. Im Interview erklärt Maria Nielsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, welche Möglichkeiten sich durch Green Care für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Senior:innen und auch pflegende Angehörige eröffnen – und was für landwirtschaftliche Betriebe wichtig ist, um Green Care auf dem Hof zu integrieren.

Wusstest du, dass in Schleswig-Holstein mehr als 200.000 Menschen täglich Angehörige pflegen? Ohne sie wäre der Pflegenotstand noch viel größer. Auf diese gesellschaftlich so wichtige Arbeit der Angehörigen möchten das Forum Pflegegesellschaft, der Landesverband „wir pflegen SH“ und das Kompetenzzentrum Demenz mit der Woche der pflegenden Angehörigen vom 14. bis 20. Oktober 2024 hinweisen.

Maria Nielsen ist Expertin für Green Care bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH). Mit der gelernten Krankenschwester und Agraringenieurin haben wir über das Konzept von Green Care gesprochen, bei dem es darum geht, Naturerlebnisse und landwirtschaftliche Aktivitäten gezielt für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen einzusetzen. Sie erklärt, wie diese Angebotsform Menschen helfen kann, neue Perspektiven zu gewinnen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Passend zur Woche der pflegenden Angehörigen sprechen wir mit ihr darüber, wie Green Care auch für pflegende Angehörige eine wertvolle Unterstützung bieten kann.

Maria, was genau versteht man unter Green Care?

Das ist keine ganz leichte Frage, denn der Begriff „Green Care“ ist nirgendwo definiert und kann deshalb ganz frei interpretiert werden. In Deutschland wird häufig auch von Sozialer Landwirtschaft gesprochen. Meiner Meinung nach ist dieser Begriff aber zum Teil durch historische Themen belegt. Die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien hat, wie ich finde, eine sehr gute Definition für Green Care: „Der Begriff Green Care fasst alle Interventionen zusammen, die die positive und unterstützende Wirkung der Natur, von Tieren und Pflanzen nutzen, um Menschen zu helfen und sie zu fördern.“
Ich würde noch hinzufügen, dass es sich bei Green Care um eine Einkommensalternative für landwirtschaftliche Betriebe handelt, um mit sozialen Angeboten ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.

Welche Arten von Angeboten gibt es in Schleswig-Holstein?

Es gibt fünf verschiedene Bereiche:

  1. Stundenweise Betreuung (Unter bestimmten Voraussetzungen wird diese von den Pflegekassen bezahlt.)
  2. Urlaub auf dem Bauernhof für Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige
  3. Tagespflege
  4. Wohnangebote (Sind in SH am allermeisten gefragt.)
  5. „Arbeitgeber“ werden für Menschen mit Behinderung (Der benötigte Assistenzbedarf der Beschäftigten, der von Mitarbeitenden des Hofes geleistet wird, wird von der Eingliederungshilfe bezahlt.)

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen, um ein erfolgreiches Green Care-Projekt auf einem Bauernhof zu etablieren?

Theoretisch kann das jeder Betrieb machen, aber für die verschiedenen Bereiche sind unterschiedliche Qualifikationen nötig. Man kann zum Beispiel am Green Care-Lehrgang teilnehmen, den wir mit der LKSH anbieten und der durch das EIP Projekt (Europäische Innovationspartnerschaft) getragen wird. Er geht insgesamt über 14 Tage, die in Blöcke zwischen März und September aufgeteilt sind.

Oder man kann beispielsweise eine pädagogische Fachkraft auf Honorarbasis einstellen. Insgesamt kommt es ganz darauf an, was man anbieten möchte. In Green Care steckt viel Potenzial – auch für die Betriebe – aber die Höfe haben so ja schon genug zu tun und es muss einfach jemand da sein, der das Thema in die Hand nimmt und sich neben dem sozialen Aspekt und dem Umgang mit verschiedenen Menschen auch um die finanziellen Bedingungen kümmert. Und man sollte sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, regelmäßig Fremde auf dem Hof zu haben. Das funktioniert nur, wenn alle auf dem Betrieb mitziehen und das Projekt befürworten.

Welche Herausforderungen begegnen dir in der Beratung zu Green Care-Angeboten?

Es gibt sehr viele Angebote im Bereich der Bauernhof-Pädagogik. Diese werden privat bezahlt und die teilnehmenden Kinder sind „gesund“. Green Care-Angebote sind durch die Beeinträchtigungen der Teilnehmenden schwieriger umzusetzen, deshalb muss man sich intensiver darauf vorbereiten – beispielsweise mit unserem Lehrgang. Es gibt aber inzwischen auch einige Bauernhofpädagog:innen, die mit Kindern mit Behinderung arbeiten, weil es in den beiden Bereichen viele Schnittmengen gibt. Das Ziel von Inklusion ist es grundsätzlich, Angebote für alle Menschen zusammen zu schaffen.

Gibt es spezielle Zielgruppen, die besonders von Green Care-Angeboten profitieren, wie z. B. Kinder, Senior:innen oder Menschen mit psychischen Erkrankungen?

Es kommt ganz auf die Zielgruppe und die verschiedenen Bedürfnisse an. Junge Menschen erhalten durch die Angebote auf den Höfen eine Aufgabe, erkennen Kreisläufe und sehen, dass sie etwas bewirken können. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass in der Landwirtschaft oft noch Handarbeit gefragt ist, die man – einmal erlernt – immer gleich ausübt. Das bietet viele Chancen für Menschen, die mit ständig wechselnden Aufgaben nicht gut umgehen können, aber ihre erlernten Aufgaben gut und zuverlässig ausüben.
Für Senior:innen oder an Demenz Erkrankte wiederum sind der Kontakt mit den Tieren und das Draußensein gesundheitsfördernd – das konnte durch Studien schon mehrfach belegt werden. Durch Green Care kommen sie in Bewegung und die Kommunikation wird gefördert. Etwas zu tun zu haben ist für sie außerdem sinnbringend. Leider ist die therapeutische Arbeit mit Nutztieren in diesem Bereich bislang von den Pflegekassen nicht anerkannt.

Welche Angebote gibt es in Schleswig-Holstein für pflegende Angehörige im Bereich Green Care?

Wir haben in Schleswig-Holstein bereits viele Angebote auf unterschiedlichen Höfen, aber viele wissen nichts davon, weshalb dieser Bereich noch nicht so richtig in Gang gekommen ist. Dabei unterstützen die Pflegekassen die Angebote finanziell, was in der Alltagsförderungsverordnung auch festgelegt ist. Besonders wertvoll sind die Angebote, die sowohl für die Angehörigen als auch parallel für die zu Pflegenden konzipiert sind. Die Angehörigen können dann eine schöne Auszeit erleben, Kraft tanken und dabei gleichzeitig auf andere Pflegende treffen und in den Austausch gehen.

Kann man sich auch in der Green Care engagieren, wenn man selbst keinen landwirtschaftlichen Betrieb hat?

Ja, gerade im Bereich der stundenweisen Betreuung gibt es die Möglichkeit, dies als Dienstleistung anzubieten, aber auch im Rahmen eines Ehrenamtes. Es gibt viele Höfe, die Ehrenamtliche für diese Tätigkeit suchen. Die Höfe können eine Förderung dafür beantragen und die Ehrenamtlichen bekommen eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit. Wer Interesse daran hat, kann sich gerne bei mir melden.

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