Als Erstgeborene wurde unserer Community-Autorin von klein auf an vermittelt, dass sie einmal den Hof ihres Vaters übernehmen wird. Als es soweit war, lief die Übergabe völlig anders ab, als sie es sich vorgestellt hatte. Der einstige Traum eines Familienbetriebes wurde zum Drama. Für Klönstedt hat sie aufgeschrieben, wie sie die schwere Zeit durchgestanden hat und was sie daraus gelernt hat.

Du übernimmst später den Hof!“ Seitdem ich lebe, von klein auf an, kann ich mich als Erstgeborene an diesen Satz erinnern, der so übermächtig ist. Er hat mein Leben geprägt, Lebensentscheidungen mitgestaltet und einen Lebenstraum geschaffen: von einem Leben mit der Natur, mit den Jahreszeiten, mit Wind, Weite und Tieren.

Auf unserem Hof sollten meine Kinder später mit viel Freiheit groß werden! Unser Familienbetrieb in der 6. Generation liegt in der Nähe von Bremen. Ein Milchviehbetrieb mit einer Hannoveraner Pferdezucht sowie Ferienwohnungen. 

Auf die Schule folgte bei mir natürlich ein ländlicher Ausbildungsweg. Als sich meine Eltern trennten, erwarteten meine Großeltern von mir, dass ich den Haushalt meines Vaters führte. Stattdessen floh ich ins Ausland. Im Hinterkopf allerdings immer der Gedanke und die Verantwortung, wenn meinem Vater etwas zustieße, müsste ich sofort zum Hof zurück. Ich war eine Hoferbin in der Warteschleife und auf Abruf. Aber das Leben meinte es gut mit mir: Mit meinem Mann bauten wir uns in Hofnähe ein liebevolles Leben auf mit Haus, Kindern und Karrieren. In unserer Freizeit unterstützten wir auf dem Hof. 

„Unerwartet früh kam daher die eindringliche Bitte meines Vaters den Hof zu übernehmen, als er gesundheitlich schwächelte.“

Unerwartet früh kam daher die eindringliche Bitte meines Vaters den Hof zu übernehmen, als er gesundheitlich schwächelte. Mit vier kleinen Kindern war der Zeitpunkt nicht ideal für eine Hofübernahme, ich war hin und hergerissen. Doch sah ich die wirtschaftliche Zukunft des Hofes, das zügig gehandelt und modernisiert werden musste. Der Charakter meines Vaters, ein dominanter Bauer vom „alten Schlag“, bei dem körperliche Arbeit zählt und auf dessen Hof seine eigenen Gesetze gelten, ließ mich zögern. Die Verantwortung meldete sich: Meine Eltern waren auf die Absicherung durch ein Altenteil angewiesen. Das Herz meldete sich: Hier sollen unsere Kinder großwerden, auf dem Land, welches ich liebe und mir so vertraut ist.

Stoff für eine Soapopera

Wir landeten beim Notar. Mit Stolz stimmte ich einem überhöhten, doppelten Altenteil zu (meine Eltern waren getrennt). Ich wollte damit das Lebenswerk meines Vaters würdigen, was er mit viel Fleiß und Arbeit aufgebaut hat. Es war klar, dass mein Mann dadurch seinen Vollzeitjob behalten musste und ich alleine mit Arbeitern den Hof manage. Mein Vater versprach mir seine volle Unterstützung bei all meinen Projekten. Doch statt romantischer, bäuerlicher Großfamilie landeten wir in einem Familiendrama, um Macht, Geld, Intrigen und Gerichtsprozessen, das Stoff für eine Soapopera sein könnte.

„Doch statt romantischer, bäuerlicher Großfamilie landeten wir in einem Familiendrama, um Macht, Geld, Intrigen und Gerichtsprozessen, das Stoff für eine Soapopera sein könnte.“

Zunächst verkauften wir unser Haus, zogen voller Optimismus auf den Hof, investierten das Geld von unserem Hausverkauf in einen neuen Stall mit moderner Technik, nahmen einen Kredit für den Ausbau von Ferienwohnungen auf, stellten zuverlässige Mitarbeiter ein, aktivierten Social Media und schrieben gute Zahlen. Und das als Frau in der Landwirtschaft. 

Der Altenteiler, ein angesehener Züchter, war in seiner Ehre gekränkt, in seinen Augen machte ich alles falsch und der Hof wurde nicht in seinem Sinne weitergeführt. Er kam nicht damit zurecht, an zweiter Stelle zu stehen und nicht mehr die Entscheidungen zu treffen. Die Technik im Stall überforderte ihn. Statt stolz auf mich zu sein, kamen auf einmal hohe finanzielle Forderungen von ihm, die nicht vor der Übergabe abgesprochen waren. Zusätzlich wollte er den Überlassungsvertrag rückabwickeln. Er verklagte mich erfolglos, mehrmals. Nachdem mein jüngerer Bruder mich natürlich auch schon verklagt hatte, ebenfalls erfolglos. Denn plötzlich hatte er als Banker auch Interesse an dem Hof (Oder die angeheiratete Frau, eine Reiterin?). 

Explosives Verhalten

Mein Vater lief unterdessen zur Hochform auf: Er tyrannisierte und beschimpfte unsere Mitarbeiter und Kunden. Er manipulierte Maschinen, indem er heimlich Sicherungen oder Kabel entfernte, so dass wir immer wieder in der Arbeit unterbrochen wurden. Er besuchte unsere Verpächter und versuchte sie zu überreden, mir die für uns so wichtigen Koppeln zu kündigen, piekste mit der Treckergabel in die Heulageballen, so dass sie schimmelten. Die beiden alten Trecker-Oldtimer vom Betrieb wollte er heimlich verkaufen, Fahrzeugpapiere und Schlüssel vom Betrieb mussten wir per Gericht einklagen.

„Durch sein explosives Verhalten wollte kein Mitarbeiter mehr mit ihm arbeiten.“

Durch sein explosives Verhalten wollte kein Mitarbeiter mehr mit ihm arbeiten. Auch dass er als Jäger Waffen besitzt, löste Unbehagen aus. In der Hilflosigkeit mussten wir mehrmals bei seinen Eskalationen die Polizei einschalten. Peinlich ist das für alle, Gerede im Dorf, die undankbare Tochter in seinen Augen. Die neue, sehr junge, anspruchsvolle Lebensgefährtin meines Vaters war für eine harmonische Hofatmosphäre ebenfalls nicht förderlich. Oft fiel es schwer, den Mut zu behalten.

Wir versuchten immer wieder Brücken zu bauen, denn trotz aller Konflikte bleibt es der Vater und als empathische Tochter konnte ich mich auch in seine Lage hineinversetzen. Es muss unvorstellbar schwierig sein, das eigene Lebenswerk, mit Leidenschaft aufgebaut, abzugeben. Eine Übergabe an die nächste Generation ist für Altenteiler mit Ängsten, Identifikationssuche und Machtverlust eine emotionale Achterbahn. Mediatoren und Freunde, die versucht haben zu vermitteln, scheitertenda beide Seiten offen sein müssen für eine gemeinsame Lösung. Der Traum vom gemeinsamen Leben und Arbeiten in einer Großfamilie hat sich reduziert auf unsere eigene Familie. Das ist sehr schade, aber das reicht! 

Narzisstische Persönlichkeit

Mit der Zeit fand ich heraus, dass sein Verhalten nicht nur mit der Hofübergabe zusammenhing, sondern auch zu einem narzisstischem Persönlichkeitstyp (selbstverliebt, empathielos) passt. Es war ein langer Prozess, mich emotional zu distanzieren. Die Vater-Tochter-Hierarchie musste aufgebrochen werden. Die sehr persönlichen Beleidigungen sehe ich inzwischen als psychische Gewalt. Sein gehässiger Spruch „Guck Dich doch mal an, wie du aussiehst“, als ich sonntagmorgens erschöpft mit der Stallarbeit fertig war, war Auslöser für mich, eine Aushilfe einzustellen und auch an mich zu denken! Sich nicht selbst als Opfer zu sehen, ist mir gelungen! Stärke aus schwierigen Situationen zu ziehen ebenfalls, denn hier bin nicht ich das Problem! Mittlerweile geht mein Vater mir aus dem Weg, da ich ihn konsequent ignoriere und ihm dadurch keine Angriffsfläche biete. Aufgeben? Mit dem Bauern-Gen ausgestattet, war das für mich überhaupt keine Option!  

„Die Hofübergabe hat mich gestärkt, darauf bin ich sehr stolz, doch ohne den Rückhalt von meinem Mann und meiner Familie hätte ich das nicht geschafft.“

Die Hofübergabe hat mich gestärkt, darauf bin ich sehr stolz, doch ohne den Rückhalt von meinem Mann und meiner Familie hätte ich das nicht geschafft. Ich bin zwar Hofbesitzerin, sehe mich aber eher als Verwalterin in einem Familienbetrieb, mit dem Ziel den Hof für die nächste Generation gesund weiterzuentwickeln. Wer von unseren Kindern den Hof übernimmt, lassen wir offen, niemand soll mit dem Druck aufwachsen, sondern alle sollen sich frei entwickeln können. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden und, dass es unseren Kindern gelingt, unsere Familienharmonie zu erhalten. Sie haben vor Augen, wie es ist, wenn es schiefläuft.  

Enormer Druck

Das wir nicht der einzige Hof mit Konfliktpotenzial sind, wird schon im Freundeskreis und in der Nachbarschaft sichtbar: Der Hof ist in bäuerlichen Familien meistens ein Heiligtum, er steht über allem! Oft sogar über der eigenen Familie und über der Gesundheit. Die Erwartungen der Eltern sind hoch. Der Hofbesitz mit Ländereien ist für die weichenden Erben finanziell attraktiv und meist sind wenig Möglichkeiten vorhanden, um hohe Abfindungen zu zahlen.

„Der Hof ist in bäuerlichen Familien meistens ein Heiligtum, er steht über allem!“

Der Druck für die Hofnachfolger ist enorm, besonders in der jetzigen finanziell schwierigen landwirtschaftlichen Situation. Alte Verhaltensmuster sind mit der familiären Nähe und der Kombi mit gemeinsamer Arbeit noch schwieriger zu durchbrechen. Wenn ich meine Kinder ansehe, ist es für mich unbegreiflich, wie man seine eigenen Kinder hassen kann. Das sind die Momente, in denen ich meinen „Vater von früher“ vermisse, denn früher hatten wir ein sehr enges Verhältnis.

Ob ich den Hof lieber nicht übernommen hätte? Hätte ich vorher gewusst, was an familiären Konflikten und emotionalem Kraftaufwand auf mich zukommt – nein, nie im Leben! Doch zum Glück wusste ich es nicht vorher und habe es jetzt geschafft. Ich konzentriere mich auf das Schöne. Kinder, die mit Tieren und der Natur aufwachsen und dieses genießen. Koppeln, über die ich gehe, die meinen Körper mit einem Gefühl von Stolz, Liebe und Heimat durchströmen lassen. 

Was uns  v o r  der Übergabe geholfen hätte:  

  • ein sehr detailliertes Inventarverzeichnis aller Maschinen und Güter (vom Hammer über jeden Strohballen bis zum Trecker)
  • gemeinsames Kennenlernen der Verpächter
  • Altenteiler-Wohnstelle außerhalb vom Hofgelände!
  • Gespräche und Abstimmung mit den Geschwistern (soweit möglich ohne deren Ehepartner)
  • Betriebs- und Hofabläufe, Jahres-, Monatsplanung dokumentieren und durchsprechen
  • Dokumente und Skizzen zu Strom/Wasser/Heizung/Abwasserleitungen und -anlagen
  • für den Altenteiler: Wahrnehmung von Hofübergabeseminaren, z. B. über SVLFG, Begleitung durch Coaching und ein intensives Hobby (Vereinsarbeit?)
  • Übergabe von allen Schlüsseln (Stall, Häuser, Brief- und Stromkästen, Fahrzeuge), Pacht- und Mietverträge, Fahrzeugpapiere
  • Dieselbetankung-Limit
  • Löschung der Betriebs-Kontovollmacht der Altenteiler

Was mir im Prozess geholfen hat: 

  • Ein sehr guter Anwalt, spezialisiert auf Landwirtschaft und Höferecht, Doppelcheck mit einem 2. Anwalt beim Überlassungsvertrag/Höfe-ordnung.
  • Begleitung durch Gespräche mit einem Coach, die bestärkt haben, den Blick bei Zweifeln geradegerückt und nach vorne gucken ließen. Gute Investition!
  • Weiterbildungen (z. B. BUS, Management-Weiterbildung), um das Selbstbewusstsein zu stärken
  • Das Zitat aus dem Buch „Altes Land“ von Dörte Hansen, Seite 117 zum Thema Hofübergabe stärkte mich: „Der Alte bestimmte, der Junge duckte sich und irgendwann, wenn der Junge genügend Kraft und Wut gesammelt hatte, wurde der Spieß umgedreht. So waren die Regeln, anders ging es nicht.“
  • Wenn alles zu viel wird, rechtzeitig einen Tag Auszeit organisieren, auch mal ganz alleine! Statt Burnout einen Tag an die See!
  • Eine Aushilfe einstellen, die uns ab und zu ein freies Wochenende und Urlaub ermöglicht.

Was ich mir für die Zukunft wünschen würde: 

  • Mehr Unterstützung von weiblichen Führungskräften auf landwirtschaftlichen Betrieben, denn Frauen führen anders! Frauen haben mehr Doppelbelastung durch Kinder/pflegebedürftige Eltern/Haushalt und Hof und führen dadurch aber auch mit wesentlich mehr Empathie, Ausdauer und dem Blick für das Wesentliche und Menschliche!
  • Auch ein Stammtisch ohne Männer wäre hier hilfreich, um sich auszutauschen, denn Frauen in Führung sind immer noch die Exoten in der Landwirtschaft. Leider!

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