Kategorien: Familie & Partnerschaft
Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb von einer an die nächste Generation übergeben wird, klappt das meistens nicht ohne Konflikte. Die Erfahrung musste auch unsere Community-Autorin machen. Zusammen mit ihrem Mann hat sie den Milchviehbetrieb ihres Schwiegervaters übernommen. Warum das nicht einfach war und welche Dinge für besonders viele Ärger gesorgt haben, schreibt sie in unserem neuen Dorfgeflüster.
Dass das Thema Erben häufig Konflikte mit sich bringt, ist mir schon lange bewusst gewesen. Das habe ich bei meinen eigenen Eltern und ihren Geschwistern erlebt und auch im Freundeskreis immer mal wieder am Rande mitbekommen. Wie unglaublich schwierig es sein kann, habe ich aber erst im Rahmen unserer Hofübergabe am eigenen Leib erfahren müssen.
Wir bewirtschaften einen klassischen Milchviehbetrieb in Niedersachsen. Dass mein Mann den Betrieb seines Vaters irgendwann übernehmen würde, war ihm schon sehr lange klar. Nach seiner Ausbildung ist er direkt wieder nach Hause gekommen und ist in den Betrieb mit eingestiegen. Seine beiden Schwestern hatten daran kein Interesse, beide haben sich beruflich außerhalb der Landwirtschaft orientiert. Seine ältere Schwester hat noch ab und zu auf dem Hof mitgeholfen, sie wohnte nur ein Dorf weiter. Die jüngere Schwester ist nach der Schule ausgezogen und lebt seitdem mehrere Autostunden entfernt.
Ich habe, als mein Mann und ich uns kennengelernt haben, in Hannover studiert und danach dort gearbeitet. Nach knapp drei Jahren hatte ich keine Lust mehr auf das Wochenend-Gependel und bin mit auf den Hof gezogen. Wir haben uns eine eigene Wohnung im Bauernhaus ausgebaut.
Ein langer Prozess
Irgendwann wurde das Thema Hofübergabe immer lauter. Mein Mann war Anfang 30 und mein Schwiegervater ging aufs Rentenalter zu und war zusätzlich gesundheitlich angeschlagen. Trotzdem hat er die Thematik lange von sich geschoben. Wir wollten allerdings gerne für die Zukunft planen, denn unsere Hochzeit stand bevor und auch die Familienplanung hat uns beschäftigt. Außerdem war uns klar, dass eine Hofübergabe nicht mal eben schnell über die Bühne geht, sondern ein längerer Prozess ist. Nachdem wir geheiratet hatten, unser erstes Kind auf die Welt kam und ich mit dem zweiten schwanger war, ging es endlich voran. Weil der Betrieb durch die Milchkrise und einen Stallneubau relativ hohe Belastungen hatte, war auch das ein Thema im Übergabeprozess. Es gab viele Gespräche im Vorfeld mit dem Bankberater, einem landwirtschaftlichen Berater und einem Notar und Rechtsanwalt. Letzteren hat mein Schwiegervater ausgesucht. Mein Mann kam leider nicht gut mit ihm klar, trotzdem hat mein Schwiegervater darauf bestanden, die vertraglichen Dinge der Hofübergabe final mit ihm durchzuführen. Ein gutes Gefühl hatten wir dabei nicht.
Unterschiedliche Vorstellungen
Was auch zu einem unschönen Gefühl bei uns beigetragen hat, war, dass mein Schwiegervater mich bei den Gesprächen nicht dabeihaben wollte. Ich weiß nicht so genau, warum wir das damals so akzeptiert haben. Ich glaube, wir wollten die ohnehin schon schlechte Stimmung nicht noch verschlechtern und auf Biegen und Brechen durchsetzen, dass ich gegen seinen Wunsch dabei bin. Warum er das so wollte, verstehen wir auch rückblickend nicht. Aus heutiger Sicht würden wir es aber auf keinen Fall wieder so machen. Ich habe mich sehr ausgeschlossen gefühlt und wäre auch gerne an der Seite meines Mannes gewesen, um ihn zu unterstützen. So musste er nach den Gesprächen, die immer mehr zu Verhandlungen wurden, mir immer berichten, was gesagt wurde.
Grob zusammengefasst kann man sagen, dass es vier Punkte gab, die zu Streitigkeiten geführt haben. Die Höhe des Baraltenteils des Altenteilers, die Höhe der Abfindung der beiden verzichtenden Schwestern und der Umgang mit dem Hof, falls der Übernehmer (also mein Mann) vor dem Altenteiler versterben sollte.
Bei den ersten beiden Punkten lagen die Vorstellungen meines Schwiegervaters weit über dem, was betrieblich möglich war. Mithilfe der Berater konnten wir die finanziellen Streitpunkte des Überlassungsvertrags aber nach einiger Zeit regeln. Auch die Höfeordnung war dabei hilfreich und, dass sich die Schwestern meines Mannes schnell mit der Summe der Abfindung einverstanden erklärt haben.
Beim dritten Punkt war es anders. Mein Schwiegervater wollte, dass der Hof bis 15 Jahre nach der Übergabe an ihn zurückgeht, sollte sein Sohn vor ihm versterben. Was dann mit unseren bald zwei Kindern und mir wäre, darüber würde man sich schon einig. Vertraglich festhalten wollte er dazu allerdings nichts. Man muss sagen, dass mein Mann ein sehr geduldiger Mensch ist. Ich glaube, wir alle wissen, dass Konflikte zwischen Eltern und Kindern nicht unumgänglich sind und Streitigkeiten innerhalb der Familie kompliziert sein können. Natürlich müssen beide Seiten aufeinander zugehen und zu einem Streit gehören immer zwei. Deshalb will ich nicht sagen, dass mein Mann und ich während der Hofübergabe alles richtig gemacht haben. Bestimmt hätten er oder wir in der einen oder anderen Situation „besser“ reagieren können. Aber grundsätzlich ist er wirklich ein Mensch, der seine eigenen Bedürfnisse oft hintenanstellt. An dieser Stelle war allerdings ein Punkt erreicht, an dem es für ihn gereicht hat.
Unruhige Nächte
Wir hatten in den Monaten der Hofübergabe viele unruhige Nächte. Dabei ging es nicht nur um die Hofübergabe selbst, sondern auch um die finanzielle Situation des Betriebes und dessen Zukunft. Ich kann mich aber noch sehr genau an die Nacht erinnern, nach der mein Schwiegervater im Beratungsgespräch sagte, dass er den Hof nur übergebe, wenn er im Todesfall seines Sohnes 15 Jahre lang wieder an ihn zurückgehe. Seine Begründung war, dass ich den Hof vermutlich nicht in seinem Sinne weiterführen, sondern verkaufen würde, wenn mein Mann versterbe. Dass mir das im Rahmen der Höfeordnung überhaupt nicht erlaubt wäre, da nur ein Kind des Hofeigentümers zum Hoferben werden kann, ließ er außen vor.
Meinen Mann und mich hat das sehr verletzt. Seitdem ich auf dem Hof gewohnt habe, habe ich mitgeholfen. Zwar nicht täglich, weil ich selbst zu dem Zeitpunkt noch einen 40-Studenjob hatte und unter der Woche täglich mehr als zwei Stunden gependelt bin, aber am Wochenende war ich regelmäßig mit im Stall. Oder ich habe eingekauft und mich um die Verpflegung in der Ernte gekümmert. Eigentlich dachten wir, dass klar wäre, dass auch ich meine Rolle auf dem Betrieb gefunden habe, diesen mit weiterführen möchte und der Hof mein Zuhause geworden war. Durch diese Bedingung meines Schwiegervaters fühlte sich das plötzlich ganz anders an.
Was ist, wenn wir wegziehen?
In der Nacht jedenfalls lagen wir lange wach. Nachdem ich vor Wut geweint habe, habe ich irgendwann den Gedanken ausgesprochen, der schon seit einiger Zeit in meinem Kopf lauter geworden war: „Was ist, wenn wir den Hof nicht übernehmen und wegziehen?“ Oh nein! Habe ich das gerade wirklich laut gesagt? Ich wollte meinen Mann damit nicht verletzen, ich wusste ja, dass er sehr an dem Hof hing und schon seit vielen Jahren darauf hinarbeitete, ihn zu übernehmen. Umso mehr überraschte mich seine Antwort: „Das habe ich ehrlich gesagt auch schon gedacht.“ Das saß! Danach haben wir beide erstmal eine Weile geschwiegen. Und dann lange darüber gesprochen, wie sehr das Herz meines Mannes am Betrieb hängt. Was es für andere Optionen geben würde. Und waren uns am Ende einig: Wir wollten den Hof übernehmen, aber nur unter der Bedingung, dass dieser – sollte meinem Mann etwas zustoßen – an seine Kinder vererbt würde und nicht an meinen Schwiegervater zurückging. Und wir wollten uns noch einmal zu zweit beraten lassen. Das haben wir dann beim Landvolk Niedersachsen gemacht. Danach waren wir in unserer Position noch einmal gestärkt, denn wir wurden darin bestätigt, dass es keinen Grund für eine solche Sonderregelung gab, da wir bereits ein Kind hatten, dass nach der Höfeordnung rechtlicher Erbe wäre.
Kein einfaches Zusammenleben
So gestärkt ist mein Mann in die nächsten Gespräche mit seinem Vater gegangen. Letzten Endes sind sie sich irgendwie einig geworden. Allerdings hat die Beziehung der beiden und auch die zwischen meinem Schwiegervater und mir unter der Hofübergabe sehr gelitten. Großes Vertrauen untereinander ist leider nicht mehr da und auch heute, mehr als 10 Jahre später, gibt es immer wieder Konflikte, die das Zusammenleben auf dem Hof nicht unbedingt einfach machen. Ein kleiner Trost ist, dass wir damit scheinbar nicht alleine sind. In unserem Freundes- und Bekanntenkreis sind viele Landwirte und die Hofübergaben gestalten sich häufig schwierig.
Wenn uns jemand fragt, was wir aus unserer Situation gelernt haben, dann, dass man für eine Hofübergabe sehr viel Zeit einplanen und Geduld haben sollte. Und man sollte sich Gedanken darüber machen, an welchen Stellen man bereit ist Kompromisse einzugehen und wo nicht. Außerdem sollte man alle Hilfsangebote und Beratungen, die möglich sind, nutzen und mit anderen in den Austausch gehen. Die Perspektive von anderen kennenzulernen und zu wissen, dass man mit seinen Sorgen nicht allein ist, hilft sehr.
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