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Fotos: LexINKton Tattoos (6)

Lexi betreibt ein Tattoo- und Piercing-Studio in einem beschaulichen Dorf in Niedersachsen. Ihre Arbeit geht nicht nur dank Nadel und Farbe unter die Haut.

Als „kunterbuntes Knallbonbon“ beschreibt eine 89-jährige Stammkundin Lexi, die in einem Dorf mit knapp 4.500 Einwohnern namens Surwold (Niedersachsen) ihr Tattoo- und Piercing-Studio betreibt. „Die Seniorin ist eine ehemalige Tänzerin aus Berlin, die jetzt hier im Dorf lebt“, erzählt Lexi. Elegant, fast tänzelnd kam die rüstige Dame mit der Berliner Schnauze und den knallpinken Fingernägeln damals zu Lexi ins Studio. Mit einem kleinen Tattoo am Finger begann alles. Mittlerweile gibt es fast keine Stelle mehr auf dem Körper der 89-jährigen, die nicht tätowiert ist.

Schneewittchen und Mohnblumen

Fast so wie bei Lexi selbst. „Da, wo ich hinkomme, bin ich auch tätowiert“, berichtet die 40-Jährige lachend. Obwohl Lexi und ihre Assistentin Mela (37), die sich um alles Organisatorische, die Verwaltung und den Service kümmert, ganz schlicht in schwarz gekleidet sind, sind beide buchstäblich richtige Hingucker: „Ich bin vom Fuß bis zum Hals tätowiert“, sagt Lexi. „Am meisten gefallen mir Schneewittchen auf meinem Dekolleté und die Mohnblumen auf der Wade. Das haben meine Tochter und mein Sohn für mich ausgesucht.“

Typische „Landleben“-Motive

Den Pferdekopf, der Melas Unterarm ziert, gibt es auch „in echt“. Denn Melas Leidenschaft ist das Reiten. Ihr Pferd Lotte sollte deshalb auf ihrem Körper verewigt sein. Es ist – natürlich – von Lexi gestochen worden, die schon nahezu alles tätowiert hat. „Rosen gehören nach wie vor zu den beliebtesten Symbolen“, sagt sie. Eine Zeit lang waren auch Pusteblumen, das Unendlichkeitszeichen, Federn oder Vogelschwärme im Trend. „Die sind bei uns aber mittlerweile ausverkauft“, betont Lexi grinsend. Typische „Landleben“-Motive hat sie natürlich auch schon gestochen – so zählen Traktoren, das Wappen des Lieblingsfußballvereins oder eine Kuh mit Kalb zu ihrem Portfolio.

So vielfältig wie die Motive ist auch die Kundschaft von Lexi und Mela. Mehr als die Hälfte ist zwischen 50 und 80 Jahre alt. „Früher ließen sich weitaus mehr Frauen tätowieren, heute ist das Verhältnis ausgeglichen.“ Die Kunden kommen nicht nur vom Land, sondern zum Teil von weit her. „Wir haben Stammkunden aus Niedersachsen, Bayern und dem Ruhrpott. Auch aus den Niederlanden, Italien und Edinburgh reisen Menschen an, um sich tätowieren zu lassen. Meistens verbinden sie den Trip dann mit einem Urlaub.“

Ein barrierefreies Studio

Was Kunden besonders schätzen: Gerade auch Personen mit Behinderung sind willkommen. Ob chronisch erkrankt, Krebs- oder Beatmungspatient:in, ob im Rollstuhl oder mit Rollator – „hier ist schon alles eingegangen beziehungsweise eingerollt“, berichtet Lexi, deren Studio deshalb barrierefrei ist. Denn das ist ihr wichtig. Jede Person, ob mit oder ohne Behinderung, soll ein Kunstwerk auf dem Körper tragen können, wenn er oder sie das möchte.
Sie kann sich gut in die Emotionen und Hemmnisse einfühlen, die eine (körperliche) Behinderung mit sich bringen kann. Denn als Lexi 13 Jahre alt war, wurde Multiple Sklerose (MS), eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, bei ihr diagnostiziert. „Ich war ein kompletter Pflegefall, saß sogar zeitweise im Rollstuhl“, erinnert sie sich.

Blick ins LexINKton Tattoo-Studio

Hilfbereitschaft auf dem Dorf

Ein Urlaub an der Nordsee änderte alles. „Dort ging es mir auf einmal besser. Ich vermute, es lag am Klima. Also zogen wir vor fünf Jahren weiter in den Norden“, sagt die gebürtige Oberfränkin. Zurück in ihre alte Heimat Kulmbach will sie nicht. Zum einen, da sie hier, nahe der Küste, besser mit ihrer Krankheit leben kann und zum anderen, da ihr das Dorfleben schlicht und ergreifend gefällt. „Die Leute hier sind hilfsbereit und halten zusammen, wenn‘s drauf ankommt. Das schätze ich sehr.“

Text: Adele Stevens

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