Klönstedt und Paris? Was hat die französische Globalstadt mit unserem digitalen Dorf zu tun? Im ersten Moment nicht viel. Aber als wir in einer unserer vergangenen Redaktionskonferenzen über Urbanisierung, städtische Neukonzeption und Dorfstrukturen gesprochen haben, hat unser Team-Mitglied Simon von einem seiner Besuche in Paris berichtet.

Stadt der 15 Minuten

Simon lebt in Freiburg, für ihn ist es bis zur französischen Hauptstadt ein Katzensprung und er ist häufig dort. Vor Kurzem ist er dabei auf das Konzept „Stadt der 15 Minuten“ gestoßen. Als er kurz erzählte, was es damit auf sich hat, fanden wir das Thema so spannend, dass wir es uns für Klönstedt einmal genauer angesehen haben.

Eiffelturm Paris mit Autofrei-Piktogram

Sie ist eine der schönsten und beeindruckendsten Städte der Welt: Paris. Historische Bauwerke soweit das Auge reicht, große Boulevards, kleine Gassen, mittendrin die Seine … Zugleich gehört die Metropole zu den dichtesten Städten der Welt. Zu den Stoßzeiten erstickt sie fast im Verkehr. Das ist alles andere als lebenswert. Seit einiger Zeit gibt es nun Ideen, wie Paris zu einer autofreien Stadt werden könnte.

Erfolgreiche Veränderungen

Wie kann es gelingen, eine derart mit Autos verstopfte Metropole wie Paris lebenswerter zu machen? Das hat sich Anne Hidalgo überlegt, die seit 2014 amtierende Bürgermeisterin von Paris ist. Seit Beginn ihrer Amtszeit hat sie bereits viele Änderungen umgesetzt. Es wurden massiv Radwege ausgebaut, Parkplätze zu Straßencafés umgebaut und beinahe in ganz Paris Tempo 30 eingeführt.

Die Maßnahmen waren ein Erfolg: Bis 2020 ist die Anzahl der Radfahrer:innen um 54 Prozent gestiegen und der Autoverkehr um 8 Prozent gesunken. Im Frühjahr 2020 stellte sich Hidalgo zur Wiederwahl – mit einem noch einmal sehr viel radikaleren Programm: der Stadt der 15 Minuten (Ville Du Quart D’Heure). Das Konzept stammt von Prof. Carlos Moreno, der an der Sorbonne-Universität das Institut ETI – Entrepreneuriat, Territoire, Innovation – leitet. Es sieht vor, dass von jedem Ort in Paris innerhalb von 15 Minuten alles zu erreichen ist, was man im Alltag benötigt: Supermarkt, Ärzt:innen, Apotheke, Schule, KiTa, Arbeitsplätze, Restaurants, Vereine, Behörden, Grünflächen, Sport- und Kulturangebote …

Eine dezentralisierte Stadtorganisation also, die den Bewohner:innen zugutekommen soll. So sollen private PKW-Fahrten deutlich reduziert, lokale Unternehmen unterstützt und die Verbindung zum eigenen Stadtviertel gefördert werden.

Verbesserung der Luft- und Lebensqualität

Mit ihren Plänen möchte die Pariser Bürgermeisterin also noch weiter gehen als bisher, um sowohl die Luft- als auch die Lebensqualität der Einwohner:innen zu verbessern. Die Stadt soll noch einmal freundlicher für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen werden. Für Autos hingegen ist nur noch wenig Platz vorgesehen. In Zahlen heißt das, dass 72 Prozent der Pariser Parkplätze – insgesamt 60.000 Stück – beseitigt werden sollen. Stattdessen möchte Hidalgo Grünflächen, Spielplätze sowie Gemüse- und Blumenbeete anlegen lassen. Letztere dürfen von Bürger:innen mit einer offiziellen Erlaubnis genutzt werden. Dabei müssen gewisse Regeln eingehalten werden – etwa eine bienenfreundliche Bepflanzung und der Verzicht auf Pestizide.

Mit Miniatur-Grünräumen überall in der Innenstadt sollen kleine Ruhezonen für Menschen jeden Alters entstehen. Weitere Schwerpunkte sind komplett autofreie Zonen und Tage, für alle schnell erreichbare Kulturangebote, die finanziell so unterstützt werden, dass sie hohe Nachhaltigkeitsstandards umsetzen können sowie die Erstellung innovativer Konzepte für die Gebäudenutzung. Darüber hinaus soll es unter anderem in jedem Bezirk eine:n zentrale:n Ansprechpartner:in für die Nachbarschaft geben, das lokale Handwerk gefördert und das Label „Made in Paris“ als Qualitätsmerkmal ausgebaut werden.

Überblick Paris beim Sonnenuntergang mit Eiffelturm im Hintergrund

Enorme Effekte auf Umwelt und Klima

Das klingt alles richtig gut, oder? Tatsächlich wird die Stadt der 15 Minuten in Paris aber nicht nur positiv bewertet. Kritiker:innen werfen Bürgermeisterin Hidalgo vor, die Viertel außerhalb der Innenstadt zu vernachlässigen und das Problem des Autoverkehrs lediglich in die Vororte zu verlagern – zumindest, solange diese nicht in genügendem Maße an die Metro angebunden sind.

Das Bedürfnis nach städtischer Neukonzeption ist trotz kritischer Stimmen so groß wie nie. Und nicht nur in Paris vorhanden. Weltweit experimentieren Städte mit ähnlichen Konzepten und auch in mehreren deutschen Städten gibt es entsprechende Pläne. Damit 15-Minuten-Städte im Alltag praktikabel sind, muss jedes Stadtviertel wie eine eigene, kleine Stadt funktionieren. Aus stadtplanerischer Sicht ist es also das Ziel, die einzelnen Stadtteile wieder zu Versorgungszentren zu entwickeln, in denen alle alltäglichen Bedürfnisse der Einwohner:innen in einem Umkreis von 3 bis 4 km erfüllt werden können. Sozusagen eine Stadt mit dörflichen Qualitäten.

In einem derart multifunktionalen Stadtteil würden Autos an Bedeutung verlieren, weil sie schlichtweg kaum noch benötigt werden. Das wiederum hätte enorme Effekte auf Umwelt und Klima, da der CO2-Ausstoß deutlich verringert werden könnte. So ist das Konzept der 15-Minuten-Stadt ein großer Schritt auf dem Weg zu klimaneutralen Städten.

Was meint ihr? Hat das Konzept der 15-Minuten-Stadt Zukunft? Und was könnten sich Städteplaner:innen von Dorfstrukturen abgucken? Wir sind gespannt auf eure Meinung!

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