Kategorien: Natur & Umwelt
Der Herbst ist da! Die Ernte ist eingefahren und auf den Felder kehrt langsam Ruhe ein. Wobei – richtig ruhig wird’s erst, wenn die neue Saat in der Erde ist. Damit die Samen von bester Qualität auch tatsächlich rechtzeitig bei den Landwirt:innen sind, braucht es einen Saatguthandel, der sehr präzise und zuverlässig arbeitet. Wie das funktioniert? Lea hat sich das Thema genauer angeschaut.
Kennst du das? Du bist in einer Situation und aufgrund eines kleinen Details beginnt es in deinem Kopf zu rattern. Willkommen im Kopfkino! Ich kann mich gar nicht dagegen wehren – und es passiert oft ganz plötzlich. Vergangene Woche war es mal wieder der Fall. Ich war bei meiner Schwester und ihrer Familie zu Besuch. Mein Schwager ist Landwirt und war gerade dabei, die Drillmaschine – also die Maschine, mit der man die Saat aussät – zu füllen. Mehrere große Säcke mit Gerstensaat landeten im Tank der Sämaschine. Während ich zusah, schweiften meine Gedanken ab und ich fragte mich, was die Gerstenkörner wohl schon alles „erlebt“ haben, bevor sie hier bei uns in Schleswig-Holstein in der Erde landen. Ich hatte sofort Bilder im Kopf vom Transport und von der Befüllung der Säcke, vom Anbau des Saatguts und der Züchtung.
Ausgefeilte Planung und Logistik
Ich muss dazu sagen: Ich habe selbst Agrarwissenschaften studiert und ein bisschen was ist natürlich auch in Sachen Saatguthandel hängen geblieben. Deshalb war meine Vorstellung schon relativ konkret. An alles konnte ich mich aber dann doch nicht erinnern. Zuhause habe ich deshalb recherchiert, weil ich wissen wollte, ob mein Kopfkino in die richtige Richtung ging. Spoiler alert: Es gab doch einiges, was mir nicht mehr bewusst war. Und da ich davon ausgehe, dass ich damit nicht allein bin, begeben wir uns gemeinsam auf die Reise des Saatguts und vollziehen den Weg von den Züchter:innen bis zur Abholung durch Landwirt:innen im Landhandel nach.
Eins vorweg: Wer denkt, Saatguthandel sei nur für Menschen mit Bezug zur Landwirtschaft interessant, der täuscht sich. Denn egal, ob Getreidesaat in 25 kg-Säcken oder Blumensaat für den Balkon in kleinen Tütchen – damit im Handelslager oder der Gärtnerei zur rechten Zeit passendes Saatgut in ausreichender Menge und bester Qualität zur Verfügung steht, bedarf es einer ausgefeilten Planung und Logistik.
Am Anfang steht die Züchtung
Also, wo fangen wir an? Logischerweise bei der Züchtung. Denn diese steht am Beginn der Produktionskette. Züchtungsprozesse sind sehr zeitintensiv. In unseren Beiträgen zu den verschiedenen Pflanzenarten in der Mendelallee haben wir schon häufiger davon geschrieben. Als ich mir aber im Zusammenhang mit dem Saatenhandel noch einmal angeschaut habe, wie lange es dauert, bis eine neue Sorte schließlich auf den Markt gehen kann und die „blanken“ Zahlen vor mir gesehen habe, war ich dennoch erstaunt. Wenn wir zum Beispiel davon ausgehen, dass die Gerste, die mein Schwager säen möchte, eine neue Sorte ist, dann müssen wir in unserem Kopfkino von heute bis in die 2000er zurückgehen. Zu diesem Zeitpunkt startete ungefähr die Entwicklung der Gerstensorte mit der ersten Kreuzung in einem Züchtungsbetrieb. Sie dauert inklusive Prüfung und Zulassung etwa 15 Jahre – eine echt lange Zeit. Aber die Akribie mit der Pflanzenzüchter:innen vorgehen, ist sehr wichtig. Denn nur aus gesundem und qualitativ hochwertigem Saat- und Pflanzgut können gesunde und hochwertige Lebens- und Futtermittel produziert werden.
Die Aufgabe des Großhandels
Wenn die Sorte schließlich amtlich zugelassen ist, kann sie beim Züchtungsbetrieb durch einen Großhändler bestellt werden. Dieser muss bereits zwei Jahre vorher abschätzen, wie groß der Bedarf zum Beispiel im Jahr 2023 sein wird. Dafür muss er nicht nur den zu erwartenden Verbrauch einschätzen, sondern auch die eventuell übrigbleibenden Bestände aus 2022 einkalkulieren. Man kann sich denken, dass das kein leichtes Unterfangen ist und einem Blick in die Kristallkugel gleichkommt. Entsprechend schwierig ist es deshalb für den Saatguthandel, kurzfristig auf Bedarfsveränderungen zu reagieren.
Vielleicht fragst du dich, weshalb Landwirt:innen ihr Saatgut nicht direkt beim Züchtungsbetrieb, sondern beim Großhandel oder im Handel vor Ort kaufen? Das hat gleich mehrere gute Gründe: Zum einen ist der Großhandel unabhängig von den Herstellern und kann aus dem Sortenportfolio sämtlicher Züchter:innen die für sein Gebiet besten Sorten und Arten zusammenstellen. Außerdem berät er mit seinem fundierten Wissen den Handel vor Ort, für den der Bereich Saatgut meist eher ein Nischenprodukt ist. Zum anderen kaufen Großhandelsunternehmen große Partien ein, lagern die Ware im Vermarktungsgebiet und stellen sie dann einzelhandelsbedarfsgerecht den Kund:innen zu. Dadurch sind der Einzelhandel oder die Landwirt:innen nicht an die Gebindegrößen der Züchter:innen gebunden und können ihren Einkauf an ihrem Bedarf orientieren.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
Das alles funktioniert aber nur mit einem engen Vertrauensverhältnis zwischen Handel und Landwirtschaft. Denn da die Produktion des Saatguts auf riesigen Vermehrungsflächen sehr lange im Voraus geplant werden muss, geht der Großhandel ein hohes Risiko ein. Er muss sich darauf verlassen können, dass die Landwirt:innen auch noch in zwei Jahren bei ihm einkaufen. Umgekehrt müssen Landwirt:innen auf das Wissen und die Beratung der Händler:innen vertrauen können und darauf, dass sie auch in Jahren knapper Warenversorgung von ihrem Großhändler:innen zu fairen Preisen bedient werden. Und noch dazu kurzfristig. Denn während der Saatgutbedarf langfristig geplant werden muss, muss die Auslieferung an die Landwirt:innen innerhalb kürzester Zeit zwischen Ernte und Wiederaussaat geschehen. Kurz gesagt: Landwirt:innen haben die beste Versorgung mit Saatgut, wenn Händler:innen, Großhandel und Züchtungsunternehmen eng zusammenarbeiten und jedes Glied in dieser Kette seine Aufgabe präzise erfüllt.
Logistische Herausforderung
Das war jetzt alles sehr theoretisch. Kommen wir deshalb noch mal auf die eingangs genannten Bilder in meinem Kopf zurück. Die Züchtung der Gerstensaat hat also erst einmal etwa 15 Jahre gedauert. Nach der Zulassung wurde sie als Basissaatgut angebaut bzw. vermehrt. Dann aufbereitet und je nach Produktionsstandort in oder außerhalb Deutschlands per Seecontainer verschifft oder via Flugzeug transportiert. Vom Hafen oder Flughafen aus geht sie per LKW zum Großhandelslager und von dort aus in den örtlichen Handel oder direkt an die Landwirt:innen. Da kann man nur erahnen, welche logistische Meisterleistung dahintersteckt.
Ein sensibles Produkt
Was man nämlich auf keinen Fall vergessen darf: es handelt sich bei Saatgut um ein extrem sensibles Produkt, das einer sehr sorgfältigen Handhabung bedarf. Genauer gesagt – Saatgut muss unter bestimmten Bedingungen gelagert werden, um seine Qualität und Keimfähigkeit sicherzustellen. Beide Merkmale sind entscheidend für den Erfolg der landwirtschaftlichen Produktion. Deshalb muss Saatgut in speziellen Lagerhäusern oder –räumen mit kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie Schutz vor Schädlingen gelagert werden. Wenn es verkauft ist, muss es dann in eine geeignete Verpackung gefüllt werden. Auch hier steht der Schutz vor Feuchtigkeit, Schädlingen und anderen Umwelteinflüssen an erster Stelle. Außerdem enthält die Verpackung wichtige Informationen über Sorte, Tausendkorngewicht (TKG) und Keimfähigkeit – dies ist notwendig, um die Aussaatstärke zu errechnen – sowie den Hersteller. Nur so ist die Rückverfolgbarkeit gesichert. Das bedeutet, dass jede Saatgut-Charge von der Produktion bis zum Verkauf nachverfolgt werden kann, um die Qualität und Reinheit zu gewährleisten. Und last but not least gilt die sorgfältige Handhabung auch für den Transport selbst. Ganz gleich, ob dieser via LKW, Flugzeug oder Schiff erfolgt – die Transportbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und Erschütterungen müssen jederzeit kontrolliert werden.
Im Falle der Gerstensaat meines Schwagers hat alles reibungslos geklappt. Die Körner sind mittlerweile seit einer guten Woche unter der Erde und haben schnell gekeimt. Die Saat ist inzwischen aufgelaufen und zarte, blassgrüne Blättchen schauen aus der Erde. Nun benötigen sie bis zum kommenden Jahr passende Wetterbedingungen – genügend Wasser und Sonne – und eine ausreichende Nährstoffversorgung, damit im Sommer eine gute Ernte eingefahren werden kann. Ich werd’s weiter beobachten …
Wenn du noch mehr über Saatguthandel und Pflanzenzüchtung erfahren möchtest, dann empfehle ich dir, auf dem Instagram-Kanal des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter vorbeizuschauen! Dort findest du jede Menge spannend aufbereitetes Hintergrundwissen. Und falls du weitere Fragen hast, freuen wir uns über einen Kommentar oder eine Mail an info@kloenstedt.de.
Für mehr Transparenz:
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter entstanden. Wir sind riesige Fans der Arbeit des Verbands, der einen super Job macht – insbesondere, weil er viele großartige und wichtige Dinge im Bereich Pflanzenzüchtung macht, von denen viele Menschen gar nichts wissen. Diese möchten wir auf diesem Wege verbrauchernah erzählen.
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