Sarah träumt schon lange davon, wieder zurück ins Dorf ihrer Kindheit zu ziehen. Als sie hört, dass eine Familie im Ort ihr Haus vermutlich verkaufen möchte, ist die Aufregung groß und sie fragt sich: Wie gehe ich jetzt am besten vor? Welche Idee Sarah kam, erzählt sie dir in ihrer neuen Kolumne.

Es muss irgendwann im Dezember 2020 gewesen sein, als meine Eltern mit ihrem alten Freund aus Berlin telefoniert haben. Er war vor dem alten Ehepaar, von dem wir das Haus gekauft haben, der Besitzer und hatte es zusammen mit meinem Papa ausgebaut.

Nachdem Wetter, Kinder und Weihnachtsgrüße im Telefonat abgehakt waren, erzählte meine Mama, dass wir wieder zurück auf’s Land ziehen wollten. „Mensch, gestern habe ich mit Familie Müller* telefoniert und sie sprach davon, dass sie mein altes Haus verkaufen wollen. Da können die beiden doch mal nachfragen.“

Ich wusste gar nicht wohin mit mir, wollte am liebsten gleich bei Familie Müller klingeln, aber mitten im Corona-Lockdown war das wohl nicht die beste Idee. Einfach anrufen? Etwas übergriffig. Zwei weitere Wochen tüftelte und plante ich und entschied mich dann, eine Karte zu schreiben.

Ich suchte meine schönste Kunstkarte aus

Frau Müller malte gerne, das wusste ich. Also suchte ich meine schönste Kunstkarte aus. Was aber schreiben? Am besten alles so, wie es war. Ich schrieb von dem Telefonat, von meiner langanhaltenden Liebe zu ihrem Haus, von unseren Plänen, aufs Land zu ziehen. Geburtstagsgrüße setzte ich noch ins Postskriptum, da Frau Müller gerade 82 Jahre alt geworden war. Fertig war die Karte, abgeschickt auch und dann passierte erstmal nichts.

An einem herrlichen Tag im Mai war es so weit

Etwa eine Woche später bekam ich einen Anruf. Es war Frau Müller. Sie habe sich so über die Karte gefreut, etwas ganz Besonderes. Und ja, sie überlegten tatsächlich, das Haus zu verkaufen. Aber nicht, solange sie ihren Hund noch hatten. In ein paar Jahren wohl erst. Ob wir es uns nicht einmal anschauen wollten. Vielleicht im Mai?

Die Freude war groß und verhalten zugleich. Hoffentlich gefällt das Haus meinem Mann genauso gut wie mir, dachte ich. Hoffentlich kommen nicht noch andere Interessenten dazu. Hoffentlich mögen sie uns und wollen es uns verkaufen. Hoffentlich stimmt der Preis. Und wie alt ist der Hund eigentlich?

Es wurde Februar, es wurde März, es wurde April und endlich war der Mai gekommen. Vier Monate lang versuchte ich bei jedem Spaziergang in der Heimat, das Haus nicht zu lange anzustarren. Versuchte auch, meine Gefühle im Zaum zu halten und einfach abzuwarten. An einem herrlich sonnigen und warmen Donnerstag im Mai war es dann so weit. Ich hatte Herzrasen, als wir vor dem Haus standen und die Klingel gedrückt hatten. Mein Mann war gelassen wie eh und je. Wir setzten uns ins Esszimmer, tranken Tee, aßen Kekse und klärten die Formalitäten. Die erste Erleichterung: Der Preis stimmte!

Der erste Schock: Frau Müller wollte am liebsten sofort ausziehen, müsste nur noch ihren Mann überzeugen. Dieser konnte bei der Besichtigung leider nicht dabei sein, weil er schon seit langem krank war. Ich traute mich nicht mehr, meinen eigenen Mann anzugucken. Er fand nämlich die Vorstellung von „in ein paar Jahren“ eigentlich ganz reizvoll.

Fotos: Sarah Güttler (2)

Eine freistehende, hohe Birke

Die Hausbesichtigung flog nur so an mir vorbei. Einzig der Blick in den Garten ist mir noch im Kopf. Hatte ich ihn eher klein und verwildert in Erinnerung, erstrahlte nun eine fast 1.000 qm große Rasenfläche mit Sträuchern, Bäumen und Beeten vor uns. Das ganze verwilderte Gestrüpp hatten sie entfernen lassen und nun regelmäßig den Gärtner da.
Der Wahnsinn! Beim Anblick der freistehenden, hohen Birke hatte das Grundstück auch meinen Mann überzeugt. Was er mir aber erst drei Tage später mitteilte. So lange hatte er sich eine Bedenkzeit ausgesprochen, in der wir kein Sterbenswörtchen über das Haus, das Angebot und das Grundstück sprachen.

Nur eine Woche später meldete ich mich wieder telefonisch bei Frau Müller und teilte ihr unsere Entscheidung für das Haus mit. Sie verabschiedete sich mit den Worten: „Ach das freut mich ja! Nun muss ich nur noch meinen Mann überzeugen und dann melde ich mich wieder.“ Zwei ganze Monate haben wir nichts mehr von ihr gehört, bis eine Nachbarin uns erzählte, dass Herr Müller verstorben sei. Doch das ist eine andere Geschichte.

*Name aus Gründen der Privatsphäre geändert.

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