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iele Frauen erkennen die ersten Symptome der Wechseljahre nicht – und die Gesellschaft und selbst manche Ärzt:innen nehmen sie oft nicht ernst. Coach und Trainerin Karin Sesselmann hat uns von ihren eigenen Erfahrungen und dem Weg zur richtigen Diagnose erzählt und erklärt, warum es so wichtig ist, offener über dieses Thema zu sprechen. Sie zeigt: Wechseljahre sind kein Tabu, sondern eine Phase des Wandels mit neuen Möglichkeiten

Mit welchen Symptomen haben deine Wechseljahre begonnen, und wie hast du herausgefunden, dass sie die Ursache waren?

Das hat ein bisschen gedauert. Irgendwann habe ich mich gewundert, warum es mir nicht gut ging, obwohl ich mein Leben wirklich total gerne mag. Dass ich hier leben darf in Husum, ich habe einen tollen Freundeskreis, ich liebe meine beruflichen Aufgaben. Ich konnte mir diese Stimmungsschwankungen und die depressive Verstimmung, unter denen ich gelitten habe, überhaupt nicht erklären. Als es mir mal wieder besonders schlecht ging, habe ich mit einer Freundin gesprochen, die zehn Jahre älter ist als ich. Sie hat mich gefragt, ob ich mal darüber nachgedacht hätte, in den Wechseljahren zu sein. Dann hat sie einige Symptome aufgezählt – und hinter jedem konnte ich ein Häkchen machen: schlaflose Nächte, Nachtschweiß und so weiter. Sie hat mir geraten, einen Hormonstatus erstellen zu lassen.

Wie ging es dann weiter?

Als Erstes bin ich zu meiner Hausärztin gegangen. Ich bin ihr sehr dankbar, weil sie sehr gewissenhaft und empathisch war und das Thema nicht weggedrückt, sondern mich – nachdem sie andere Dinge ausgeschlossen hatte – zu meiner Gynäkologin geschickt hat. Dort habe ich dann meinen Hormonstatus bestimmen lassen. Meine Gynäkologin hat anschließend mit mir auf Augenhöhe besprochen, welche Möglichkeiten es gibt. Jetzt, wo es mir wieder total gut geht und ich meine persönliche Geschichte teile, höre ich immer wieder, wie selten Frauen mit diesen Beschwerden ernst genommen werden.

Warum, glaubst du, wird das Thema von vielen Ärzt:innen nicht ernst genug genommen?

Ein Drittel aller Frauen hat keine Wechseljahresbeschwerden. Ein weiteres Drittel hat leichte Symptome. Und nur ein Drittel hat richtig krasse Beschwerden. Wenn du dann zum Beispiel als Ärztin zu dem glücklichen Drittel gehörst, das keine Beschwerden hat, dann kannst du das nicht nachvollziehen. Ich habe es im Freundinnenkreis leider auch erlebt, dass manche gesagt haben: „Stell dich halt nicht so an.“ Aber bei mir war es ja so schlimm, dass ich gar nicht mehr aus dem Bett gekommen bin.

Dazu kommen noch zwei weitere Dinge: Zum einen wird die Menopause im Medizinstudium oft nur am Rande behandelt – und das, obwohl jede Frau irgendwann davon betroffen ist. Und zum anderen können Gynäkolog:innen Beratungen zu den Wechseljahren nicht gesondert abrechnen. Sie bekommen für eine allgemeine Beratung nur eine Pauschale von gut 16 Euro – und das auch nur einmal im Quartal. Wer selbstständig ist und seine Kosten ein bisschen im Blick hat, der weiß: Für 16 Euro kann man keine einstündige Beratung anbieten.

Also hattest du bei deinen Ärztinnen Glück. Für welche Behandlung hast du dich entschieden?

Ich habe mich für eine Hormonersatztherapie entschieden – und schon nach zwei Wochen eine deutliche Besserung gespürt. Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, auch pflanzliche, denn nicht jede Frau braucht eine Hormontherapie – das ist individuell. Aber für mich war es der richtige Weg.

Was sind drei Dinge, die du gerne schon mit 40 über die Wechseljahre gewusst hättest?

Zum einen hätte ich gerne gewusst, dass ein Drittel der Frauen überhaupt keine Beschwerden hat. Das heißt, es gibt eine große Wahrscheinlichkeit, dass einen das alles gar nicht betrifft.

Außerdem hätte ich gerne früher gewusst, dass es nicht nur um das mögliche Ausbleiben der Periode oder Hitzewallungen geht, sondern dass unfassbar viele andere Symptome dazugehören, die man oft nicht mit den Wechseljahren in Verbindung bringt und mit denen man sich deswegen eine ganze Weile herumschleppt.

Ich habe Studien dazu gelesen: Die meisten Frauen berichten nicht nur über Hitzewallungen, sondern auch über Schlafstörungen, Nachtschweiß, Konzentrationsprobleme, eine kurze Zündschnur und eine geringere Belastbarkeit. Ich hätte gerne gewusst, dass diese Erschöpfung, die depressive Verstimmung oder Gliederschmerzen ebenfalls dazugehören können. Bei mir hat es sich angefühlt wie eine Grippe ohne Fieber – und ich konnte das einfach nicht zuordnen.

Was ich auch gerne gewusst hätte: Dass die hormonellen Veränderungen schon ab Mitte 30 beginnen können. Viele Frauen schleppen sich jahrelang mit Symptomen herum, ohne dass jemand an die Wechseljahre denkt.

Warum wird so wenig über die Menopause gesprochen?

Das ist eine gute Frage. Ich selbst habe schon überlegt, ob ich mit diesem sehr persönlichen Thema nach draußen gehe. Die Wechseljahre sind nach wie vor schambehaftet. Dabei spreche ich doch auch darüber, wenn ich mir zum Beispiel den Fuß gebrochen habe.

Aber es ist so wichtig, dass wir mehr darüber reden. Eine Umfrage unter Arbeitnehmerinnen hat ergeben: Ein Fünftel der Frauen denkt darüber nach, wegen starker Wechseljahressymptome früher in Rente zu gehen. Ein Fünftel – in Zeiten von Fachkräftemangel! Gleichzeitig sagen viele Frauen, dass sie mit ihren Vorgesetzten nicht darüber sprechen, weil sie Nachteile befürchten oder das Thema als zu privat empfinden.

Welche Veränderungen bräuchte es in der Arbeitswelt, damit Frauen in dieser Lebensphase besser unterstützt werden?

Es braucht Räume, um sich auszutauschen, aber auch konkrete Unterstützung von Arbeitgeber:innen. Verständnis und Flexibilität – sei es bei den Arbeitszeiten oder beim Arbeitsort. Wenn ich zum Beispiel eine blöde Phase habe, wäre es hilfreich, wenn ich mich im Mittagstief kurz hinlegen könnte. Ich weiß, das geht nicht in jeder Branche, aber grundsätzlich wäre das eine Idee

Du bist Trainerin und Coach. Sind die Wechseljahre bei deiner Arbeit ein Thema?

Ja, ich biete Vorträge und Workshops dazu an – sowohl für Unternehmen als auch für Einzelpersonen. Ich möchte, dass Frauen mutig und selbstbewusst hinschauen: Was ist im letzten Arbeitsjahrzehnt für mich drin? Mag ich tatsächlich 100 % arbeiten? Muss ich 100 % arbeiten? Und wenn ja, was kann ich vielleicht in meinem privaten Umfeld anpassen? Oft sind in diesem Alter die Kinder aus dem Haus – man hat wieder mehr Zeit für sich selbst oder die Partnerschaft. Doch was fange ich mit dieser neuen Freiheit an? Welche Wünsche und Ziele schlummern vielleicht schon lange in mir? Was kann ich noch umsetzen, wenn die Energie vielleicht weniger wird? Die Wechseljahre sind nicht nur eine körperliche Veränderung, sondern oft auch eine Einladung, das eigene Leben neu auszurichten.

Geht es darum auch in deiner Wochenend-Auszeit in St. Peter Ording, die du im Oktober anbietest?

Ja, genau. Ein Wochenende lang begleite ich Frauen, die sich in ihren biologischen Wechseljahren oder in einer beruflichen bzw. persönlichen Übergangsphase befinden, in einem „Wechsel-Jahr“. Gemeinsam justieren wir den persönlichen Wechsel-Jahres-Kompass, entwickeln Strategien für einen gelassenen Umgang mit Wandel und entdecken (wieder), wie viel innere Stärke in den Frauen steckt. Es geht um neue Perspektiven, um Leichtigkeit, um Freude – und darum, diese Veränderungsphase der „Wechsel-Jahre“ bewusst und selbstbestimmt zu gestalten.

Sollte man Angst haben vor den Wechseljahren?

Angst? Nein! Respekt? Vielleicht. Aber vor allem sehe ich die Wechseljahre als eine Chance! Ich sage immer: Von den Wechseljahren zu den „Wechsel-Jahren“!

Viele Frauen berichten in meinen Coachings, dass mit den Wechseljahren eine neue Klarheit kommt – eine Art inneres Aufräumen. So empfinde ich das auch. Die Hormone verändern sich, und damit oft auch das Bedürfnis, es immer allen recht zu machen. Plötzlich stehen die eigenen Wünsche und Bedürfnisse deutlicher im Fokus. Das kann ungewohnt sein, aber auch unglaublich befreiend.

Außerdem bietet diese Phase die Möglichkeit, bewusster mit der eigenen Energie umzugehen, Altes loszulassen und sich neu auszurichten. Wer sagt, dass die besten Jahre hinter uns liegen? Vielleicht beginnen sie genau jetzt – wie gesagt, von den Wechseljahren zu den „Wechsel-Jahren“.

Was würdest du Frauen raten, die gerade erste Symptome spüren oder denken, das Thema sei noch weit weg?

Es gibt ein paar tolle Instagram-Accounts, die professionell und informativ dazu posten. Und es gibt das Hashtag #wirsind9Millionen – das zeigt, wie viele Frauen gerade in dieser Phase stecken. Das Wissen, nicht allein zu sein, hilft total.

Mir persönlich hat auch das Buch „Women on Fire“ von Sheila de Liz sehr geholfen. Sie schreibt fundiert, aber unterhaltsam. Ich finde: Wer sich früh informiert, kann achtsam sein und Symptome viel besser zuordnen, wenn es soweit ist.

Vom 17.-19. Oktober 2025 bietet Karin Sesselmann eine Wochenend-Auszeit für Frauen zum Thema „Wechsel-Jahre“ in St. Peter-Ording an. Weitere Infos erhältst du unter moin@karin-sesselmann.de oder auf Karins Instagram-Kanal .

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