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Gute Vorbilder sind der Ursprung für ein gesundes Selbstwertgefühl und die Akzeptanz des eigenen Körpers. Gitte aus unserem Team hat so ein Vorbild. In ihrer zweiten Kolumne zum Thema Body Neutrality verrät sie dir, wer das ist und analysiert wie ihr heutiges Selbstwertgefühl überhaupt entstehen konnte. Es ist ihr ganz persönlicher Text über Selbstakzeptanz.
Meine Großmutter ist für mich der beste Mensch, den ich kenne. Kannte, denn sie ist bereits Anfang der 1990er Jahre gestorben. Sie und ich haben in unseren nur neun gemeinsamen Jahren sehr viel Zeit zusammen verbracht, dafür bin ich bis heute dankbar. Meine Großmutter war eine sehr starke Frau. Innen und außen: Landwirtin mit eigenem Betrieb, lebte auf dem Dorf, Geschäftsfrau, hatte 2 Modeläden in zwei Städten und mein Großvater starb, da war sie erst Mitte 40. Meine Großmutter trug selbst eine Größe 52. In ihren Modeläden verkaufte sie bereits ab den 1980er Jahren Damenoberbekleidung in den Größen 36 bis 58, Anfang der 90er und kurz vor ihrem Tod waren sogar Einzelteile bis zu einer Größe 64 zu finden. Meine Großmutter war bekannt. Frauen kamen von weit her in die Geschäfte, um sich einzukleiden.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Großmutter jemals über ihr Gewicht, über ihren Körper geschimpft oder sich beschwert hätte. Sie war einfach sie. Und jeder Mensch um sie herum war einfach ein Mensch. Ich habe meine Großmutter nie schlecht über den Körper anderer Menschen urteilen gehört. Niemals. Und wisst ihr was, heute, knapp 30 Jahre nach ihrem Tod, bin ich mir sicher: Meine Großmutter hatte einfach genug anderes zu tun.
Mehr als andere Kinder
Meine Großmutter hatte ein Kind, meine Mutter – meine schlanke Mutter. Ich bin auch sehr dankbar meine Mutter als Mutter zu haben. Ich war schon als Kind nie zierlich, ich war breiter und ich schreibe absichtlich nicht dicker, weil ich damals einfach nicht dick war. Ich habe normal gegessen, ich habe Sport gemacht und trotzdem war ich irgendwie mehr als andere Kinder. Heute scherze ich immer, dass ich einfach ein guter Kostverwerter bin, aber so ist es wahrscheinlich auch wirklich. Ich habe zwei Geschwister, eine Schwester und einen Bruder, beide sind genauso aufgewachsen und ernährt worden wie ich. Die beiden sind normalgewichtig.
Das erste Mal bekam meine Mutter zur Einschulungsuntersuchung gesagt, dass ich nicht der „Norm“ entspräche. Sie müsse auf meine Ernährung achten. Zur Grundschulabschlussuntersuchung sagte es die Ärztin dann meiner Mutter und mir (mit 9 Jahren) direkt ins Gesicht, ich sei viel dicker als die anderen Kinder. Es seien 5 Kilo zu viel, sie solle mich auf Diät setzen. Wir verließen den Raum und sprachen nie wieder darüber. In meinem Kopf hat sich diese Situation trotzdem festgebrannt: Ich war 1,45 m und wog 45 kg.
Ich war immer dicker als die anderen, meinem Selbstwertgefühl hat das nichts angetan. Denn ich bekam von zuhause niemals das Gefühl, dass mein Wert von meinem Gewicht abhinge. Ich war gut so, wie ich war. Und irgendwie hatten wir besseres zu tun, als über unsere Körper zu verzweifeln. Ich war immer ich, stand nicht im Fokus jeder Aufmerksamkeit für mein Übergewicht und ich glaube fest daran, dass mir das bis zum heutigen Tage enorm viel emotionale Stärke verliehen hat und immer noch verleiht.
Dein Wert ist nicht in Gewicht bemessen
Ich schreibe dir das hier nicht, weil ich dir sagen will, lass dich und vielleicht auch dein Kind immer dicker werden. Es ist nicht egal, was du wiegst. Nein. Ich weiß, dass Übergewicht ein großer Risikofaktor für die Gesundheit ist. Und doch ein großes ABER: Ich kann heute als Erwachsene mit meinem Körper machen, was ich möchte. Ich kann abnehmen, ich kann mich aber auch im Spiegel anlächeln und mir sagen, dass ich mich so mag, wie ich bin. Ich habe nie und ich sehe auch heute kein Feindbild in meinem Körper, das es zu bekämpfen gilt. Ich esse bedacht und bewusst, ich bewege mich. Das alles, davon bin ich überzeugt, weil meine Familie meinen Wert niemals an meinem Gewicht bemessen hat, oder mir das Gefühl gab, dass ich es tun müsste.
Ich sehe und höre aber von vielen, sehr vielen meiner Bekannten und Freundinnen, dass ihnen das ganz anders erging und ergeht. Sie erzählen, dass sie sich heute nicht im Spiegel anschauen können, ohne kritisch zu sein. Da ist kein Wohlwollen, kein liebendes Auge für ihren Körper, die Hülle ihrer Seele. Und viele – obwohl sie alle erwachsene Frauen sind und viele bereits Kinder geboren haben – bekommen heute noch beim Wochenendbesuch zu Hause von ihren Großmüttern, Müttern und Tanten Dinge gesagt, wie: „Willst du das wirklich noch essen? Du hattest doch schon eine Portion“, oder „Meinst du, so erreichst du mal wieder deinen schönen Körper von vor der Geburt?“
Ich könnte weinen, wenn ich das schreibe. Und vielleicht hast du das auch schon erlebt, vielleicht bist du wütend, dass ich mich, meine Großmutter hier so hervorhebe. Aber ich möchte dich bitten, für dich, für deine Umwelt und vielleicht für deine Tochter oder Kinder. Lies’ den Text nochmal, hör in dich rein, reflektiere dich und gib diesen Körperhass, diesen Zwang nach Perfektion nicht weiter. Durchbrich diesen Teufelskreis. Du hast doch besseres zu tun, das Leben ist einfach viel zu kurz, um es in ständiger Selbstoptimierung zu leben.
Den Teufelskreis unterbrechen
Gerade im Kontext der heutigen Bewegung für „Body Neutrality“ wird mir immer klarer, wie bahnbrechend die Einstellung meiner Großmutter war. Sie verkörperte ohne Worte die Idee, dass Körper in allen Formen und Größen schön und wertvoll sind. In einer Welt, die oft von unrealistischen Schönheitsidealen geprägt ist, war sie ein Fels in der Brandung. Ihr Erbe lehrt mich, dass es in Ordnung ist, sich selbst zu akzeptieren, wie man ist, und dass der Wert eines Menschen weit – wirklich so weit – über das physische Erscheinungsbild hinausgeht. Ich trage diese Lektionen mit Stolz und versuche, in meiner eigenen Lebensweise und im Umgang mit anderen Menschen stets Respekt und Positivität zu fördern. Ich wünsche dir das auch!
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