Natürlich erziehe ich meine zwei Mädchen ganz frei von Vorurteilungen, erkläre immer wieder, dass auch Jungs mit Puppen spielen dürfen, weinen sowieso und im gleichen Atemzug halte ich die Flagge hoch für Gleichberechtigung und dafür, dass Mädchen natürlich auch stark sind, schnell laufen können und vor allem mega gut klettern. Und schlauer sind Mädchen sowieso … ups …

Als ich ihr meine Klamottenauswahl für den Tag präsentiere, verkündet mir meine noch nicht mal 2-jährige Tochter: „Mama, Rakete nicht Hose anziehen!“ Puh, ich hatte ein bisschen gehofft, dass sich bei Rakete Nummer 2 dieses „nein, keine Hose“ nicht durchsetzen würde und musste mir jetzt morgens um kurz nach sieben eingestehen – ich bin zum zweiten Mal kläglich gescheitert, mit meiner Anti-Prinzessinnen-Erziehung.

Ich versuche es noch mit gutem Zureden, muss dann aber ziemlich schnell einsehen, dass Willensstärke eine tolle Eigenschaft ist, die in unseren beiden Familien und somit Genen einfach manifestiert zu sein scheint. Und wie es aussieht, setzt sie sich schlussendlich einfach immer durch, ganz egal, ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Nachkömmling handelt.

Ein abgespeckter Prinzessinnentraum

Während sich die große Tochter, mit ihren fast 6 Jahren, eine kurze Hose aus dem Schrank kramt, präsentiere ich der kleinen Schwester beinahe die komplette Kleiderauswahl, nur um dann wieder bei dem rosa Kleidchen mit Tutu zu landen. Mit Vernunft muss ich hier gar nicht erst anfangen, auch wenn das Thermometer heute die 30 Gradmarke knackt, soll es dieser abgespeckte Prinzessinnentraum sein. Und ich muss gestehen, mich verlässt dann auch irgendwann die Geduld und ich gebe mich geschlagen. Soll sie doch dieses Träumchen tragen!
Insgeheim hoffe ich, dass die Sandkiste mit dem unfassbar dreckigen Sand und der Wasserstelle das Übrige tut und das Kleid in die ewigen Jagdgründe befördert. Bei den anderen Klamotten ist das Kita-Sand-Wassergemisch ja auch nicht so zimperlich und versaut mir nicht nur die neusten Socken, sondern so ziemlich alles an Klamotten, was nur im Ansatz schön anzuschauen ist. Und dieser Anziehung von Matschepfützen, die bei dem Wetter Konjunktur haben, gebe ich mich mit meiner Gallseife und dem ganzen Fleckenentfernungs-Repertoire, das ich im Hause habe, geschlagen – denn DIESE Flecken, die gehen nicht raus. NIEMALS!

Hosen werden keines Blickes gewürdigt

Je weiter ich drüber nachdenke, finde ich es gar nicht mehr so schlimm, dass scheinbar die letzten Tage des Kleidchens gezählt sind. Wobei an diesem Tutu-Träumchen der Dreck wahrscheinlich einfach nur abperlt. Um nicht sofort in schlechte Laune zu verfallen, mach ich mir nicht die Mühe nachzusehen, welches undefinierbare Material da wohl an der Haut meiner fast 2-Jährigen klebt. Ganz ehrlich, bei Kind Nummer 1 hätte dieser Fummel niemals den Weg in den Kleiderschrank überlebt, aber – es wurde quasi eingeschmuggelt, im Paket mit ausrangierten Klamotten der Tochter eines Kollegen. Und es hat sich sofort eingebrannt, in die Herzen meiner beiden Mädchen …

Es ist ja nicht so, als würde ich diese Phase nicht kennen: Bei der Großen begann sie mit eineinhalb und endete erst, als sie mit fast 5 Jahren selbst auf den Trichter kam, dass Klettern und Radfahren mit Hose manchmal doch einfacher sind. Also habe ich noch Hoffnung. Allerdings war sie ebenso willensstark wie ihre kleine Schwester und ich musste damals schon in der Kita immer wieder erklären, dass sie keine Hosen tragen möchte. Auch nicht als Wechselklamotte, falls mal was daneben geht. Ich redete mit Engelszungen auf sie ein, bestellte neben Kleidern und Röcken auch immer wieder Hosen – doch die wurden keines Blickes gewürdigt und ich musste sie unausgepackt wieder zurückschicken. Manchmal hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen, nicht nur wegen der Ökobilanz, sondern auch, wenn ich den Grund auswählen musste, warum die Hosen wieder zurück gingen: „Nicht gefallen“ war ja noch nicht mal eine Option, sie wurden einfach komplett ignoriert!

Helle Jeanshose, offene Regenjacke und rote Stiefel von der tragenden Person von oben fotografiert

Fotos: Esther Hell (2)

Erscheinungsbild einer Räuberprinzessin

Daraus habe ich definitiv gelernt und bei Kind Nummer 2 werden einfach keine Hosen bestellt. Allerding sind wir uns nicht nur bei der Klamottenauswahl uneins, auch bei den Frisuren gehen unsere Geschmäcker extrem auseinander. Während ich der Großen ihre langen Haare nach Anweisung flechte und drapiere, zieht es die Lütte vor, die Haarklammern mit „Gewalt“ aus den Haaren zu ziehen und vorsichtshalber in den Sofaritzen zu versenken. Ihr Erscheinungsbild ähnelt eher einer Räuberprinzessin und ja, es gibt schlimmeres, aber irgendwie passt das Bild jetzt doch nicht zusammen. Und insgeheim bin ich ein bisschen stolz auf die kleine Lady, dass sie ihr Ding durchzieht.

Von wem sie das haben?

Als wir endlich in der Kita ankommen, werden wir mit „ach, meine Prinzessinnen“ begrüßt. Den Kommentar lass ich einfach so stehen. Und natürlich ist das Kleid direkt Thema. Im Vorbeigehen klopft mir eine der Erzieherinnen auf die Schulter, mustert mich mit einem breiten Grinsen: „Sorry Esther, aber ist dir schon mal aufgefallen, dass du auch nie Hosen trägst? Und du fragst dich, von wem sie das haben?!“ Okay, Punkt für die Erzieher:innen und ich verlasse reumütig das Feld.

Zuhause beginne ich, meinen Schrank auszumisten, auf der Suche nach einer Hose. Gaaaanz hinten im Schrank werde ich fündig – eine rote Karottenhose (heute Chino) mit weißen Punkten! In der Hosentasche befindet sich noch ein Schnuller, der muss von der großen Rakete sein … Mehr möchte ich jetzt dazu nicht sagen.

Rote Hose mit weißen Punkten auf weißer Bettwäsche mit roten Punkten und Beweisfoto zur tragenden Person

Höre dir hier Esthers Kolumne auf Plattdeutsch an:

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