Das Auto ist für viele unverzichtbar. In ihrer aktuellen Kolumne nimmt Cathy aus unserem Team dich mit auf ihre persönliche Mobilitätsreise und verrät dir, warum sie lieber ohne Auto unterwegs ist

In einer Stadt, wo kurze Wege und eine gut ausgebaute Infrastruktur ein weitestgehend stressfreies Fortbewegen ermöglichen, entscheide ich mich ganz bewusst gegen das Auto. Diese Wahl mag ungewöhnlich erscheinen, doch für mich ist sie ein Gewinn an Lebensqualität. Zu dieser Erkenntnis bin ich aber erst im Laufe der Zeit gekommen, denn ohne Auto ging in meiner Kindheit und Jugend fast nichts.

Auto? Unverzichtbar!

Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und es fuhren zwei bis drei Busse am Tag. Das Auto als Familientaxi war obligatorisch, um Erledigungen, Hobbies, Arbeit und Alltag zu bewältigen. Meinen Führerschein habe ich deshalb direkt mit 18 gemacht und es ergab sich sogar, dass ich ein eigenes Auto bekam. Meine Fahrzeit zur Schule reduzierte sich von rund 50 Minuten mit dem Bus auf 20 Minuten mit dem PKW und meine jüngere Schwester konnte ich auch gleich mitnehmen. Was für eine Unabhängigkeit – und natürlich ein echtes Privileg!

10 Jahre hatte ich ein Auto, auch als ich in der Stadt wohnte. Ich habe es – wohl aus Gewohnheit – gar nicht hinterfragt, ob ich ein Auto brauche oder nicht. Es war selbstverständlich. Mit der Zeit ließ ich den Wagen jedoch für kleine Erledigungen, wie Einkäufe oder einen Besuch in der Innenstadt stehen. Der dichte Verkehr und die ewige Parkplatzsuche in der Stadt (offen gestanden auch andere Verkehrsteilnehmer:innen) raubten mir die Nerven – ein Problem, das auf dem Land für mich so nicht existiert hatte.

Person mit Sonnenbrille lehnt an der Tür eines offenem Cabriolet

Autoverzicht? – Ja!

Ich verkaufte mein Auto als es mich für einen Freiwilligendienst nach Kampala, die Hauptstadt von Uganda, verschlug. Dort lernte ich vielfältige Fortbewegungsmöglichkeiten kennen, von Sammeltaxis für bis zu 14 Personen (Matatus) bis hin zu Motor- oder Fahrradtaxis (BodaBodas). Ich nutzte alles, und oft ging ich auch einfach zu Fuß. Eine neue Perspektive auf Mobilität tat sich für mich auf.

Als Studentin in Flensburg und Dortmund erweiterte sich mein Blick für die Fortbewegung ohne Auto. Dort ermöglichte mir das Semesterticket ein kostengünstiges und unkompliziertes Ein-, Um- und Aussteigen im ÖPNV. Der öffentliche Nahverkehr, der oft als langsam und umständlich verschrien wird, entpuppte sich als überraschend effiziente Option. In einer Metropolregion wie dem Ruhrgebiet sind die Möglichkeiten vielfältig, und oft war der Weg mit Bus und Bahn sogar schneller als mit dem eigenen Auto.

Heute weiß ich: Ich habe keinen Spaß am Auto fahren, sondern empfinde es als notwendiges Übel. Es ist für mich persönlich sogar vergeudete Lebenszeit: Ich finde es viel entspannter mich in den Bus zu setzen und dabei Dinge für mich zu tun. So variiere ich je nach Fahrlänge zwischen lesen von Büchern und hören von Podcasts oder Musik. Immer öfter genieße ich es auch einfach für diesen Moment nichts zu müssen als rauszugucken, vielleicht zu beobachten, was im Bus passiert und nur aufzupassen, dass ich meine Haltstelle nicht verpasse.

S-Bahn mit Graffiti steht im Bahnhof

Bewusst unterwegs, in meinem Tempo

Aktuell leben wir wieder in Flensburg. Ich arbeite überwiegend im Homeoffice. Wir haben ein Auto – das nutzt vor allem mein Mann für die Arbeit. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, gehe ich am liebsten zu Fuß – in meinem Tempo. Gerne auch mal unterschiedliche Wege zum selben Ziel. Mehrere Supermärkte liegen in Gehreichweite. Mit dem Bus oder dem Fahrrad bin ich innerhalb Flensburgs zwischen zehn und 30 Minuten am Ziel. Das ist Zeit, die ich einplanen kann und möchte.

Ohne die Verantwortung für ein Auto entfällt für mich auch die Sorge um regelmäßige Wartung und Reinigung sowie unvorhergesehene Reparaturen. Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Anschaffung, der Wertverlust, die Kosten für Kraftstoff oder Energie sowie für Instandhaltung und Reparaturen auch nicht zu vernachlässigen. Hinzu kommt natürlich der CO2-Fußabdruck für den Individualverkehr, den ich reduzieren möchte, wo ich kann. Ein besonderer Aha-Effekt war für mich selbst der gesundheitliche Nutzen durch die regelmäßige Bewegung an der frischen Luft.

Person nur ab den Knien abwärts zu sehen steht mit bunten Laufschuhen im Laub

Autofreiheit bis zur Stadtgrenze

Es gibt aber auch Momente, in denen ich mich ohne Auto abgehängt und allein fühle. Denn für spontane Treffen außerhalb von Flensburg scheinen mir örtliche Carsharing-Angebote oder der öffentliche Nahverkehr keine ernstzunehmenden Alternativen zu sein. Die Kosten empfinde ich als vergleichsweise hoch, die Fahrzeiten oft unverhältnismäßig lang sowie die Verfügbarkeiten und Taktungen wenig nutzer:innenfreundlich. Besonders ärgerlich wird es, wenn im ÖPNV Verzögerungen oder Verspätungen auftreten – dann gibt es kaum Alternativen und mit einem Schlag ist die gewonnene Lebensqualität dahin.

Ich sehe die Vorteile eines Autos. Besonders auf dem Land, wo es teilweise immer noch alternativlos ist: Es ermöglicht Zeitersparnis, es bietet mehr Freiheit und Unabhängigkeit sowie Komfort, z. B. bei Wind und Wetter und auch mit Kindern, beim wöchentlichen Einkauf oder wenn größere Dinge transportiert werden müssen. In meiner persönlichen Situation bin ich dankbar, dass ich mich entscheiden kann und sehe gleichzeitig auch meine privilegierte Position dennoch nicht ganz verzichten zu müssen.

Zukunftsvisionen

Abschließend lässt sich sagen: Die bewusste Entscheidung, ohne Auto unterwegs zu sein, hat für mich eine neue Dimension von Lebensqualität geschaffen. Sie ermöglicht mir, den Weg von A nach B bewusster zu erleben und dabei Zeit für mich zu nutzen. Ob bei inspirierenden Podcasts oder einfach im Betrachten der Umgebung – es sind für mich wertvolle Momente des Innehaltens.

Natürlich gibt es Situationen, in denen das Auto unverzichtbar erscheint, besonders auf dem Land. Doch ich hoffe und wünsche mir, dass in Zukunft noch mehr Menschen die Wahl haben, auf individuelle Fortbewegungsmittel zu verzichten. Eine verbesserte Infrastruktur, effizientere Alternativen und nachhaltige Mobilitätskonzepte könnten dabei maßgeblich helfen.

Vielleicht werden Autos in einigen Jahren als eine von vielen Optionen angesehen. Eine Zukunft, in der Mobilität nicht nur praktisch, sondern auch nachhaltig und bereichernd ist, ist für mich durchaus vorstellbar. Und vielleicht wird dann die Frage „Mit oder ohne Auto?“ zu einer ganz persönlichen Wahl, die wir ohne eigene Vorbehalte und äußere Hürden treffen können.

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