In ihrem persönlichen Jahresrückblick zu ihrer Brustkrebserkrankung gibt dir Magdalena Einblicke in verschiedene Lebensbereiche. Im fünften Teil der Serie geht es um ihr ehrenamtliches Engagement. Sie erklärt, wie wichtig ihre Ehrenämter in der Zeit der Krankheit für sie waren und welche Erfahrungen sie gemacht hat. Schließlich hat sie für sich selbst auch Entscheidungen treffen müssen …  

Teil V

Text: Magdalena Zelder

Das normale Leben hat mich wieder. Lange habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Mein Rückblick auf „Arschi“ hatte quasi Sendepause. Auch das tut gut. Ich habe im letzten Jahr gelernt, dass ich auch mal Nein sagen kann und dass es durchaus gut tut auch mal etwas auszulassen oder durch Abwesenheit zu glänzen. Aber dazu später mehr … 

Das Ehrenamt und ich

In meiner Vorstellung habe ich schon erzählt, dass ich untrennbar mit dem Thema Ehrenamt verbunden bin. Seit meiner Jugend, das sind schon fast 20 Jahre, bin ich ehrenamtlich in verschiedenen Verbänden und Vereinen unterwegs. Ganz klar haben mir das meine Eltern vorgelebt, die immer in irgendeiner Form ehrenamtlich engagiert waren. Meinen Mann habe ich auch übers das Ehrenamt kennengelernt. Unsere Familie, so wie sie jetzt existiert, würde es also ohne das Ehrenamt gar nicht geben. 

Nach meinem Ausscheiden aus der Landjugend startete ich direkt mit der Kommunalpolitik. Seit fast zehn Jahren bin ich im Stadtrat von Wittlich, seit fast fünf Jahren im Kreistag. Zusätzlich sitze ich in mehreren Ausschüssen der Landwirtschaftskammer und des Bauernverbandes und auch als Prüferin bin ich tätig. Drei Jahre war ich zudem Vorsitzende des Kinderschutzbundes Bernkastel-Wittlich. In dieser Zeit kamen unsere drei Kinder auf die Welt. Da ich gestillt habe, habe ich sie gerade am Anfang überall mit hingenommen. Dies war meistens kein Problem und ich habe viel Unterstützung und positive Reaktionen von Kolleg:innen bekommen.

Zugegeben: Manch blöden Kommentar gab es schon! Gerade ältere Semester stellten Fragen wie: “Sie sind jetzt mit dem dritten Kind schwanger, jetzt hören Sie aber auf, oder?“, „Was sagt den ihr Mann dazu?“, „Die armen Kinder!“… AUTSCH!

Alltag und Ehrenamt

Wenn ich das so aufschreibe wird mir eines klar: Ich konnte nicht Nein sagen, weil es mir einfach unheimlich viel Spaß macht aktiv zu gestalten und zu sehen, dass Dinge wie z. B. Bauvorhaben oder soziale Projekte tatsächlich umgesetzt werden. Es ist meine tiefste Überzeugung, dass man sich aktiv einbringen muss, wenn man etwas bewegen möchte! Der Preis dafür ist oftmals sehr hoch.

Wenn ich das so aufschreibe wird mir eines klar: Ich konnte nicht Nein sagen …

Bei mir sah es dann wie folgt aus: Wenn ein abendlicher Termin anstand, musste ich oft früher aufstehen, damit es zeitlich irgendwie passte. Ich habe Babysitter und Vertretung im Stall organisiert (und bezahlt!). Häufig bin ich dann auf dem letzten Drücker zu den Terminen gehetzt. Nicht selten habe ich anschließend um 10 oder 11 Uhr abends noch Eier für den Hofladen sortiert oder eine Nachtschicht im Büro eingelegt. Ich habe mir selbst immer gesagt, alles gut, das ist mein Hobby, mein Ausgleich zum Hof. War und ist es ja auch, aber es war eindeutig zu viel! Ich habe das Gefühl, dass gerade junge Frauen und Mütter das Doppelte leisten müssen um politisch oder ehrenamtlich aktiv zu sein. Wenn dann noch 100 Milchkühe dazukommen … 

Mein Ehrenamt und der Krebs

Nach meiner Krebsdiagnose rief ich unseren Bürgermeister, den Fraktionsvorsitzenden vom Kreistag und meine Stellvertreter:innen im Stadtrat an, dort war ich erst kurz vorher als Fraktionsvorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion angetreten. Mir war klar: Ich will die Ämter nicht aufgeben. Ich will dem Krebs nicht die Oberhand geben, alles soll so weiterlaufen wie vorher. Ob Bürgermeister, Landrat oder Fraktionskolleg:innen, alle haben wirklich klasse reagiert. Meine Stellvertreter:innen sind für mich eingesprungen, wenn ich nicht konnte. Hätte ich mich in dieser Anfangszeit direkt komplett zurückgezogen, das hätte mir psychisch glaube ich sehr zugesetzt. Ich wollte, dass alles so normal weiterläuft wie möglich.

Ich wollte, dass alles so normal weiterläuft wie möglich.

Sobald es mir möglich war, schleppte ich mich auf Kreistags- und Stadtratssitzungen. Öfter als gedacht, machte mir mein Körper einen Strich durch die Rechnung. Auch wenn alle Verständnis hatten, ärgerte mich ein Fehlen so sehr. Wenn ich an einer Sitzung teilnahm, tat es mir dermaßen gut! Ich konnte mich mit einem anderen Thema als Krebs beschäftigen und nahm am „normalen“ Leben teil. In diesen zwei oder drei Stunden hatte die Krankheit Sendepause und das benötigte ich so oft wie möglich!

Nach dem Ende meiner Bestrahlung wollte ich wieder richtig durchstarten. Ich hatte ja, wie ich fand, Chemotherapie, OP und Bestrahlung gut weggesteckt. Also weiter wie bisher: Vollgas!

Vollgas? Pustekuchen!

Das hat leider nicht funktioniert: Mein Körper und meine Seele haben Anfang dieses Jahres einfach gestreikt. Nichts ging mehr. Wirklich nichts. Irgendwie schaffte ich es zwar den Hofladen und das Büro aufrecht zu erhalten, die Kinder morgens fertigzumachen und für die Mannschaft zu kochen, nachmittags Hausaufgaben zu betreuen und Mama-Taxi zu sein … aber dann war ich völlig fertig.

Mehr als einmal blieb der Abendbrottisch stehen. Ich war noch nicht mal in der Lage die Kinder anzuleiten den Tisch abzuräumen. Ich war einfach froh, wenn ich es schaffte sie ins Bett zubringen ohne zusammenzubrechen. Christoph war meist länger draußen, er musste ja meine Arbeit im Betrieb mitmachen … vor neun, halb zehn war er nicht drin. 

Für mich war es zunächst einfach unverständlich, dass nichts mehr ging: Ich hätte doch eigentlich durch sein müssen mit dem Krebs-Thema und wollte voll durchstarten.

Für mich war es zunächst einfach unverständlich, dass nichts mehr ging: Ich hätte doch eigentlich durch sein müssen mit dem Krebs-Thema und wollte voll durchstarten. Das machte mich richtig wütend, regelrecht bockig, wie ein kleines Kind und es brachte mich zum Nachdenken. Was will mein Körper mir damit sagen? Heute weiß ich, dass ich eine Fatigue hatte: Einen absoluten Erschöpfungszustand nach meiner Erkrankung und Behandlung. Viele Menschen leiden nach einer solchen Erkrankung daran. Ich fing an mehr zu lesen und vor allem fing ich an zu reflektieren.

Fragen und neue Erkenntnisse

Ich stellte mir die wesentliche Frage: Möchte ich, dass es wieder so weiter geht wie vor der Erkrankung? Klar habe ich das alles unter einen Hut bekommen, ganz die Powerfrau, bloß keine Müdigkeit vorschützen, aber zu welchem Preis? Eins ist mir dann bewusst geworden und das habe ich nun immer im Hinterkopf: Ich bin weiterhin krank. Ich bin zwar krebsfrei, aber als gesund gelte ich erst in fünf Jahren, wenn kein neuer Tumor mehr auftritt. Die nächsten Jahre schwebt also immer ein Damoklesschwert über mir und ich habe ganz klar vor Augen, dass mein Leben endlich ist.

Ich stellte mir die wesentliche Frage: Möchte ich, dass es wieder so weiter geht wie vor der Erkrankung?

Ich möchte meine Kinder groß werden sehen, aber niemand kann mir das garantieren (auch ohne Krebs). Aber diese Erkenntnis hat meine Prioritäten verschoben. Vielleicht in eine Richtung in der sie schon vorher hätten liegen sollen. Wem will ich etwas beweisen? Was ist das Wichtigste für mich? Die Antwort ist ganz klar: Meine Familie – meine Kinder, mein Mann – der Betrieb (wir haben so hart dafür gekämpft) und die neueste Erkenntnis ist: ICH

Veränderungen

Ich habe angefangen mich und meine Bedürfnisse ernst zu nehmen. Klar, Ehrenamt macht mir richtig viel Spaß und gibt mir sehr viel, aber es war das Einzige was ich neben einem echt anspruchsvollen Alltag für mich getan habe. Wer mal kommunalpolitische Diskussionen erlebt hat weiß, dass es interessant, aber definitiv keine Erholung ist. Ich habe alles über mich gestellt. Kinder (das tut glaube ich jede Mutter), Beziehung, Betrieb, Ehrenamt.  

Ich schrieb alle meine Posten auf: Ich hatte 18 Ehrenämter, mal mit mehr, mal mit weniger Zeitaufwand. Dann ging ich mit mir in Klausur: Was willst du jetzt? Ich habe mittlerweile zehn Ehrenämter abgegeben. Ganz durch bin ich noch nicht, aber ich stehe für geordneten Rückzug, das bin ich meinen Kolleg:innen schuldig. Weitermachen möchte ich die Sachen, die mir wirklich Freude bereiten und zeitlich gut planbar und überschaubar sind. Zudem lasse ich mich auch mal vertreten, wenn es mir zu viel wird, dafür hat man ja Stellvertreter:innen. 

Und ich habe Hobbys: Ich habe mit einem wunderbaren ganzheitlichen Lauf-Coaching begonnen und bin zwei bis drei Mal die Woche mit meinen Turnschuhen auf Feld und Flur unterwegs. Ganzheitlich bedeutet aber eben auch zu beleuchten: Was tut mir gut, was möchte ich verändern? 

Nach über zehn Jahren gehe ich wieder einmal die Woche reiten und habe mit meiner Tochter Ida zusammen angefangen Klarinette zu spielen. 

Ich sage inzwischen auch mal Nein, wenn mir etwas zu viel wird, ich lerne Dinge abzugeben und mein Perfektionismus hat wesentlich öfter Sendepause.

All das tue ich nur für mich und ich versuche mir dabei viel weniger Druck zu machen. Ganz ehrlich: Bei einem Workaholic, wie ich nun mal einer bin, klappt das nicht immer, aber ich bin so unendlich dankbar, dass es schon so viel besser funktioniert als vorher. Ich sage inzwischen auch mal Nein, wenn mir etwas zu viel wird, ich lerne Dinge abzugeben und mein Perfektionismus hat wesentlich öfter Sendepause (wer sich mal unseren Vorgarten anschaut wird das bestätigen 😉 ). So lasse ich z. B. auch den Haushalt links liegen und spiele lieber ‘ne Runde Monopoly mit meinen Kids. 

Ich denke, dass es noch ein weiter Weg ist, auf dem ich immer wieder alles erneut auf den Prüfstand stellen muss. Aber dass ich damit angefangen habe, ist das Größte, was ich im letzten Jahr erreicht habe. Dazu hat es eine lebensbedrohliche Krankheit gebraucht.

Ein Denkanstoß

Ich hoffe, dass alle, die dies lesen und brauchen ohne krank zu werden einen Denkanstoß bekommen: Frage dich unbedingt: Was ist mir wichtig? Was möchte ich wirklich? Was tut mir gut?

Das wünscht von Herzen 

Magdalena

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