Als plötzlich die sechsjährige Tochter die Bienchen und Blümchen Geschichte in Frage stellt, kommt unsere Kolumnistin Esther Hell ganz schön ins straucheln. Sie muss sich schweren Herzens eingestehen, dass es wohl langsam los geht, mit den Schwärmereien bei ihrem zukünftigen Schulkind und dass die plötzlich aufkommenden Frühlingsgefühle da nicht ganz unschuldig dran sind.

Text & Fotos: Esther Hell

Mama, sag mal, stimmt es, dass die Babys gar nicht einfach so auf die Welt kommen?“ überrascht mich meine Sechsjährige beim Abendbrot. In meinem Kopf blinkt ein großes Alarmzeichen! Ui, was für ein Thema, ich war schon auf Bettgehen eingestellt: Irritiert springe ich auf, schnappe mir zwei Käseverpackungen, die gerade in Griffweite sind und verstaue sie im Kühlschrank – um Zeit zu gewinnen.

Während ein Stockwerk höher mein Göttergatte der kleinen Tochter klar macht, dass er heute das Bettfertigmachen übernimmt, weil Mama mit der großen Rakete noch ein wichtiges Gespräch führen muss. An seinem Unterton erkenne ich, dass er heilfroh ist, nicht in meiner Haut zu stecken, nur das unterdrückte Grinsen, das hätte er sich wirklich sparen können.  

Aufklärung am Abendbrottisch

Nachdem ich meine Contenance wieder gefunden habe, setze ich mich zu meiner Tochter an den Tisch und versuche es mal mit vorsichtigem Nachfragen: „Was hat deine Freundin dir denn erzählt?“ Und plötzlich sprudelt sie los und erzählt von Samen, von irgendwelchen Pickeln, die im Bauch der Mama leben und dass daraus dann ein Baby entsteht. Ich höre zu und sortiere im Kopf, was da alles aus meiner Tochter rausplatzt und wie ich ihr die verschiedenen Punkte kindgerecht erklären könnte. Nachdem sie mit ihrer Ausführung fertig ist, schaut sie mich mit großen Augen erwartungsvoll an. „Also,“ beginne ich zögerlich „deine Freundin hat schon recht und es stimmt, dass die Samen des Mannes…“, “ aber Mama,“ werde ich unterbrochen wie soll das denn bei meiner kleinen Schwester geklappt haben, ich war doch immer da!„. Äh, ja, langsam kriecht die Schamesröte mein Gesicht entlang. Verlegen hüstele ich und erkläre dann, dass Mamas und Papas da manchmal auch kreativ werden…

Uff, das hat das Kind erstmal geschluckt, aber ich kann ihr ansehen, wie es in ihrem Kopf rattert. Und ich ärger mich ein bisschen drüber, dass ich in diesem Moment plötzlich so überfordert bin, denn eigentlich wollte ich die Sache mit der Aufklärung doch ganz locker angehen. So in fünf bis zehn Jahren. Ehrlich gesagt, hatte ich jetzt noch nicht damit gerechnet, dass das Thema auf den Tisch und in unserem Fall, auf den Abendbrottisch kommt. Bisher hatte die Antwort auf die Frage, woher die Babys kommen auch immer genügt: Wenn sich Eltern, egal ob Mamas und Papas oder zwei Mamas und zwei Papas ganz doll liebhaben, dann kommt mit ganz viel Glück ein Baby auf die Welt.“

Buchtipps herzlich willkommen

Doch dieses Mal lässt sie sich nicht so schnell abspeisen. Nach kurzer Bedenkzeit hakt meine Tochter doch nochmal nach, weil sie sich nicht vorstellen kann, wie das geht, mit dem miteinander schlafen. Ihre Idee, ich solle doch mal googeln und ihr ein Bild zeigen, lehne ich ab und schicke Hilfenachrichten mit der Bitte um Buchtipps an gefühlt alle meine Mamafreundinnen. Bei einigen Büchern finde ich diese Bienchen und Blümchen Thematik zu verspielt, andere sind mir wiederrum zu realistisch und krass. Ich beschließe den Mittelweg zu versuchen und bestelle einen riesigen Berg Bücher, mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Aufgeschlagene Aufklärungsbücher

Tabu: Aufklärung  

An dieser Stelle sollte ich vielleicht erklären, dass bei uns zuhause Aufklärung nie wirklich ein Thema war und in der Schule fand Sexualunterricht auch nicht wirklich statt. Es gab die Jugendmagazine BRAVO mit dem Doktor Sommer Team und die POPCORN – das hat mich ein ganzes Stück nach vorne gebracht, wenn man bedenkt, dass es einem super unangenehm war, im Kiosk nach den Zeitungen zu fragen. Und noch dazu, in einem Dorf, in dem dich jeder Zeitungsverkäufer kennt. Allerdings gab es bei uns zuhause ein Buch aus den 1970ern „Mann und Frau“ das hat bei meinem großen Bruder und mir die Aufklärung übernommen. Darin wurde erklärt, was Geschlechtsverkehr ist. Ich weiß noch, als ich das Wort das erste Mal las, hatte ich sofort Bilder von Verkehrsschildern im Kopf. Das Buch gibt es immer noch und ich habe es sogar meiner Tochter beim letzten Heimatbesuch präsentiert. Tja, da musste dann eben doch mal die Oma ran und vorlesen – mein persönliches Highlight. Sie konnte jetzt nachholen, was bei uns früher nicht stattfand…

Frühlingsgefühle und erste Liebeleien  

Nach ein paar Wochen ploppte das Thema nicht mehr ständig auf, die ersten Fragen waren beantwortet und meine Tochter hatte die Gewissheit, sie könnte mit all ihren Fragen immer zu uns kommen – bzw. vor allem zu Mama. Außerdem gab es andere Themen wie der Umzug und die neue Kita. Allerdings als ich vor ein paar Wochen das Abschlussgespräch für die Einschulung hatte, überrumpelte mich ihre Erzieherin mit den Worten: „Es ist jedes Jahr das Gleiche bei den Wackelzähnen, immer zum Frühling kommen die ersten Liebeleien auf und die Hormone spielen verrückt, kurz vor Schulbeginn…What?! Als ich meine Tochter auf Jungs anspreche und ob ihr denn vielleicht einer gefällt, legt mir meine Sechsjährige ihren Arm um die Schulter, grinst mich verschmitzt an und kommentiert mit einem „vielleicht!“. Sie gibt mir noch einen Kuss und lässt mich dann völlig verdattert mit meinen gerade im Baumarkt erstandenen Blumen stehen. Also unter Wackelzahnpubertät hatte ich mir ehrlich gesagt etwas anderes vorgestellt.

Ich schnapp mir meine Blumen und verzieh mich in den Garten – da tu ich wenigstens was für die Bienen und muss nicht über irgendwelche Hormonhaushalte von Vorschulkindern nachdenken.

Unsere Autorin Esther Hell hat den Beitrag persönlich für euch eingesprochen:

Teile es mit deinen Freunden!

Wie kann ich Klönstedt unterstützen?

Das ist ganz einfach. Es sind die vielen kleinen Taten, die Klönstedt groß werden lassen. Melde dich zum Newsletter an, folge uns auf Instagram, lies unsere Artikel, schau unsere Videos, oder nimm an unseren Dorftreffen teil. Neben all der Liebe, die in diese Inhalte und Veranstaltungen fließt, kostet die Herstellung der Inhalte auch Geld. Damit Klönstedt auch weiterhin nur wenig Werbung zeigen muss, benötigen wir finanzielle Unterstützung von euch. Wir informieren euch bald über eine neue Möglichkeit, wie ihr Klönstedt auch finanziell unterstützen könnt.